Deutsch-Japanische Gespräche Teil 3: Gesten

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Bildcopyright: Conbook Verlag

Wenn zwei Kulturen in liebender Art aneinander geraten, so tun sich mit Sicherheit irgendwann die Kluften der alltäglichen Unterschiede auf. So auch bei Autor Andreas Neuenkirchen und seiner Frau Junko Katayama, die darüber ein ganzes Buch geschrieben haben. Nun aber unterhalten sie sich über ein ganz normales Thema: Das Melden in der Schule.

Inhalt

 

Das deutsch-japanische Gespräch nach Feierabend

 

 

Andreas Neuenkirchen und Junko Katayama lernten sich in Tokio kennen, haben dort geheiratet und lebten schließlich mehrere Jahre in München, wo ihre Tochter Hana geboren wurde. Soweit ist das auch die Geschichte ihres Buches »Matjes mit Wasabi«. Inzwischen ist die Kleinfamilie nach Tokio umgesiedelt, wo Junko einer anständigen Arbeit nachgeht und Andreas sich um weitere Bücher und das Kind kümmert (wobei freilich letzteres ebenfalls eine anständige Arbeit ist). Wir belauschen die Eheleute bei abendlichen Gesprächen, die sich beinahe wirklich so zugetragen haben könnten.


 

 

Heute: Hitlergruß im Klassenzimmer

 



Andreas: „Ich finde es übrigens nicht gut, dass du unserer Tochter den Hitlergruß beigebracht hast.“

Junko: „Hitlergruß?! Wie geht der denn?“

Andreas: „Na ja, so wie das, was sie jetzt immer macht, wenn man ihren Namen ruft. Wenn sie dabei so ernst guckt und der Scheitel unvorteilhaft fällt, ist das besonders unheimlich.“

Junko: „Kurz nach ihrer Geburt hast du behauptet, unsere Tochter sähe aus wie Michael Caine, und nun sieht sie aus wie Adolf Hitler?“

Andreas: „Das siehst du völlig falsch. Kurz nach ihrer Geburt sah sie aus wie Marlon Brando. Michael Caine war erst später, als sie schon ein bisschen vorwurfsvoll gucken konnte. Und dann gab es noch zahlreiche Popstar-Phasen. Billy Idol, Robert Smith, Siouxsie Sioux, Sid Vicious …“


Junko: „Von denen kenne ich keinen. Und inzwischen sieht sie aus wie Adolf Hitler?“

Andreas: „Nur in ungünstigen Umständen, und die neue Frisur verhindert das Schlimmste. Jetzt sieht sie ein bisschen aus wie Mireille Mathieu, der Spatz von Avignon. Das ist ja nichts Schlechtes.“


Junko: „Eine Mischung aus Adolf Hitler und Mireille Mathieu …“

Andreas: „Ich möchte nach Möglichkeit vermeiden, dass ihr Foto irgendwann auf so einer Website über Babys auftaucht, die wie Hitler aussehen.“

Junko: „Solche Websites gibt es?!“

Andreas: „Würde mich nicht wundern. Es gibt auf jeden Fall Websites über Katzen, die wie Hitler aussehen, sogenannte Kittlers. Bestimmt gibt es das auch für Babys. Ich glaube allerdings nicht, dass da stolze Eltern die Fotos ihrer eigenen Kinder hochladen. Zumindest keine Eltern, mit denen man gern mal eine internationale Spielgruppe gründen möchte.“


Junko: „Unsere Tochter sieht kein bisschen aus wie Hitler.“

Andreas: „Natürlich nicht! Doch diese Geste macht eben viel aus. Und leider klatscht Hana immer, wenn sie andere klatschen hört. Im Fernsehen zum Beispiel. Das ist ja ganz süß bei ‚Wer wird Millionär?‘, aber bei Berichten über Pegida-Demos oder nordkoreanische Militärparaden hört der Spaß auf.“


Junko: „Das mit dem Klatschen gibt sich schon, wenn sie das alles ein wenig besser versteht. Aber diese andere Geste ist ganz normal in Japan. So meldet man sich eben. Zum Beispiel in der Schule. Wenn man aufgerufen wird, streckt man den Arm so nach oben und ruft laut: Hai!“

Andreas: „Um Himmels willen!“

Junko: „Hai, nicht heil.“


Andreas: „Das kann man schon mal verwechseln.“

Junko: „Hitler hat doch kein Monopol auf ausgestreckte Arme. Wie meldet man sich denn in deutschen Schulen?“

 

Andreas: „Da gibt es feine Nuancen. Ich habe mich eher gar nicht gemeldet. Andere hingegen mit wilden Zuckungen, Fingerschnipsen, Zungenspitze auf der Nase und Funkeln in den Augen.“

Junko: „Dann kommen die, die sich nicht melden, einfach nicht ran?“


Andreas: „In einer gerechten Welt wäre das so, aber leider ist die Welt nicht sonderlich gerecht.“


Junko: „Wenn diese Geste so ein Problem in Deutschland ist, kommt das eben in den Katalog der Dinge, die sie in beiden Ländern unterschiedlich machen muss. Wie Schlürfen und Geschirr zum Mund führen.“

 

Andreas: „Wir müssen wirklich vorsichtig sein. Die Japaner sind aufgrund ihrer unrühmlichen Kriegsgeschichte ja schon so was wie die Deutschen Asiens. Rein mathematisch müssten wir das unbeliebteste Paar der Welt sein.“

Junko: „Hast du das Gefühl, wir wären überdurchschnittlich unbeliebt, hier oder im Ausland?“


Andreas: „Eigentlich nicht. Schon gar nicht, wenn wir mit Hana unterwegs sind, dieser Deutsch-Japanerin.“


Junko: „Und das liegt daran, dass sie in Aussehen und Betragen keinerlei Ähnlichkeit mit Hitler hat.“

 

Andreas: „Natürlich hat sie das nicht.“

 

 

Fazit!

An dieser Stelle noch einmal ein großes Danke an Junko Katayama und Andreas Neuenkirchen, die diesen Text geschrieben haben und an den Conbook Verlag, der uns erlaubt hat, diesen bei uns online zu nehmen.

Wer Teil 1 über die japanischen und deutschen Müllverhältnisse, oder Teil 2 über mehr oder weniger Käse verpasst hat, der kann hier die Gespräche nachholen.

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