Mangazeichnerin Kamineo (2012)

Geschrieben von
Bildcopyright: Kamineo

Kamineo erzählt uns von ihrem cholerischer Kunstlehrer, den strengen Zeitplänen und erläutert die Vorzüge von westlichen Comics und Mangas.

Inhalt

Pseudonym: Kamineo
Alter: 27
Geburtstag: 22.08.85
Sternzeichen: Löwe (aber wenn man nach dem Charakter geht, müsste ich eigentlich Jungfrau sein)
Wohnort: Leverkusen

Bisherige Veröffentlichungen:
- Diverse Anthologie-Beiträge (2008-2012)
- Beware of the dog (Yaoi, 2011) – Schwarzer Turm
- Gefühl (Horror, 2011) – Delfinium Prints
- Alpha² 1-3 (BL, 2012-2013) – Schwarzer Turm

 

 

animePRO: Erst einmal eine Frage zum Warmwerden: Seit wann zeichnest du überhaupt?

Kamineo: Seit ich einen Stift halten kann. Tatsächlich habe ich bereits gezeichnet, bevor ich schreiben konnte.

 

animePRO: Warum hast du dich für den Mangastil entschieden?

Kamineo: Das war eigentlich keine bewusste Entscheidung. Ich fing irgendwann einfach damit an, Figuren, die ich aus Serien wie „Lady Oscar“ und „Sailor Moon“ kannte, nachzuzeichnen. Das war so 1995 rum. Dass mich Anime-Serien damals mehr geprägt haben als andere, war vermutlich reine Geschmackssache. Mittlerweile würde ich aber nicht mehr behaupten, dass ich noch im Mangastil arbeite. Jeder entwickelt sich weiter und meine Entwicklung geht davon eher weg.

 

animePRO: Hast du eine/n Lieblingsmangaka?

Kamineo: Schwierige Frage. Ich mag von vielen Zeichnern bestimmte Aspekte, aber einen „rundum Lieblingsmangaka“ habe ich eigentlich nicht. Ich mag z.B. Uki Ogasawaras Stil sehr gerne und ich liebe Takehiko Inoues Zeichnungen, ganz besonders die Hintergründe.

 

animePRO: Und welche Motive zeichnest du am liebsten?

Kamineo: Hintergründe. Aus naheliegenden Gründen. Wälder mag ich immer noch am liebsten, auch wenn sie mich in hübscher Regelmäßigkeit in den Wahnsinn treiben und ich dann auf jeden Fall etwas anderes behaupten werde.
Außerdem: Ästhetisch ansprechende Männer, vorzugsweise solche, die nicht wie Frauen aussehen. Oh, und Frauen, die nicht wie zwölf aussehen.

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animePRO: Welches Zeichenmaterial verwendest du und warum? Was sind die Vorteile in deinen Augen?

Kamineo: Es gibt kaum ein Material, das ich nicht schon mal in der Hand hatte. Das bringt das Studium so mit sich.
Für mich haben sich für Farbarbeiten vor allem Aquarell/Gouache, Pastell/Buntstifte und Copics  bewährt. Gerne auch mal alles untereinander gemischt. Und selbstverständlich der PC. Gerade letzteres bietet einige Vorteile in Sachen Druck. Besonders wenn es mal wieder heißt „Oh nein! Der Hintergrund des Covers passt nicht mehr zur Rückseite! Der muss eine andere Farbe bekommen!“ oder Ähnliches, wenige Stunden bevor es in die Druckerei muss. Bei einer Aquarellzeichnung wäre das jetzt irgendwie blöd.
Allerdings hasse ich Farbarbeiten wie die Pest. Wenn ich so etwas weg-delegieren kann, umso besser (dafür wurde der Assistent ja erfunden). Ich tusche lieber. Vorzugsweise mit meinem treuen Pinsel. Ich würde es zwar niemals weiterempfehlen, so zu arbeiten (nach amerikanischem Vorbild), aber wenn man wie ich zu dumm für die G-Pen Feder ist und auf flexible Lines nicht verzichten will, sollte man sich das zumindest einmal angetan haben.


animePRO: Wie lässt du dich inspirieren? Hast du da bestimmte Quellen oder springt dich die Bildidee einfach so an?

Kamineo: Es wäre sehr schön, wenn sie mich anspringen würden. Aber nein. Meistens steckt da leider tatsächlich Arbeit dahinter. Ich muss meine Bilder für gewöhnlich planen. Wofür, bis wann, womit. Danach baue ich die Grundideen auf. Wenn ich dringend noch konzeptionelle Ideen dafür brauche, durchwühle ich einfach alles, was mir gerade so in die Hände fällt. Manga, Comics, Artbooks, Kunstbücher, Google, ganz egal.
Da mein Zeitplan immer sehr streng ist, habe ich wenig Spielraum für „Einfach-Nur-So-Zeichnungen“. Wenn ich sie aber mal habe, überfallen mich die Ideen meistens dann, wenn ich einem meiner heimlichen Laster fröne: Beim Durchforsten meines tumblr-Dashboards oder wenn ich anderen Zeichnern via Livestream bei der Arbeit zusehe. Das reißt mich dann auch regelmäßig wieder aus meinen Art-Blocks heraus.

 

animePRO: Wie oft zeichnest du am Tag oder in der Woche?

Kamineo: Täglich. Wann immer ich nicht auf der Arbeit/in der Uni bin oder mit Sachen beschäftigt bin, die so im Haushalt anfallen. Meistens von neun Uhr abends bis drei Uhr in der Früh. Wie viel ich dabei schaffe, hängt davon ab, was ich nebenbei noch mache und wie motiviert ich tatsächlich gerade bin. Wenn der Tag hart war, schaffe ich natürlich weniger. Wenn die Deadline vor der Tür steht, entsprechend mehr. Das Schlüsselwort bei mir ist „Druck“. Ohne Druck kann ich nicht arbeiten. Ich bin auch der typische „24h-vor-der-Klausur-Lerner“. Ganz schlimm.

 

animePRO: Was denkst du hat sich an deinem Stil über die Jahre hinweg geändert?

Kamineo: Sehr viel. Ich bin anatomisch korrekter, lege mehr Wert auf Ausdruck und Pose… Im Ganzen habe ich mich in den letzten zwei Jahren deutlich mehr an US-amerikanischen Comics orientiert als an Manga, was man auch sieht. Da mir allerdings der Umgang mit Story und Erzählfluss sowie der Einsatz von Hintergründen im Manga so viel besser gefallen als in ihren westlicheren Verwandten, wird der Einfluss von dieser Seite aus bei mir niemals ganz verschwinden.

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animePRO: Wenn du drei Lebewesen beziehungsweise Dinge nennen müsstest, die deine zeichnerische Entwicklung beeinflusst haben, wer wäre das?

Kamineo: Da fällt mir spontan ein etwas cholerischer Kunstlehrer ein. Ein schwieriger Mensch, aber er hat mir extrem viel beigebracht, was das Benutzen von Tusche und Feder sowie Techniken mit Bleistift angeht. So etwas Klassisches findet man im heutigen Kunstunterricht eigentlich nicht mehr.
Als zweites „Lebewesen“ müsste ich Martina Peters nennen. Sie leugnet es zwar immer gerne, aber sie hat mir extrem viel beigebracht. Wenn ich auflisten müsste, was ich mir an Know-how alles bei ihr abgeschaut habe, würde das eine verdammt lange Liste werden.
Und zu guter Letzt: das Internet. Ganz einfach. Ohne diese ultimative Form des Sich-Austauschens wären die Möglichkeiten meiner Entwicklung extrem eingeschränkt gewesen. Mittlerweile ist es so selbstverständlich, dass es fast schon weh tut. Aber ich erinnere mich durchaus noch daran, wie es war, nicht täglich surfen zu können und mindestens 15 Minuten zu warten, bis ein einzelnes kleines Bild geladen war.

 

animePRO: War animexx eigentlich die erste Internetplattform, auf der du deine Bilder öffentlich einer breiten Masse präsentiert hast?

Kamineo: Ja. Das war Anfang 2002. Damals war animexx noch halbwegs überschaubar und das Feedback, das ich dort auf meine ersten Bilder erhalten habe, hat sehr dazu beigetragen, mich am Arbeiten zu halten. Heute erschreckt es mich manchmal, wie viele Leute sich da tummeln und wie wenig von den „Älteren“ noch da sind.

 

animePRO: Helfen dir manchmal die Kommentare, die du zu deinen Bildern bekommst, dich zu verbessern? Was denkst du?

Kamineo: Früher ja, heute… weniger. Sie motivieren mich, definitiv. Kommentare sind gut für die Seele, also ganz, ganz wichtig! Selbst wenn es nur so kleine inhaltliche Anmerkungen wie „Übrigens hast du auf Seite XY Horus‘ Kette vergessen zu zeichnen“ sind. Das ist toll! Man merkt, dass sich die Leser die Geschichten tatsächlich sorgfältig durchlesen. Das motiviert sehr, noch mehr auf Details zu achten oder aber noch mehr Andeutungen zu verstecken, um zu sehen, ob sie jemand findet.
Besonders witzig finde ich auch Kommentare zu laufenden Manga, in denen meine Leser darüber rätseln, wie es weiter geht. Das ist herrlich. Und gelegentlich findet man im Folgeband dann auch schon mal die eine oder andere Theorie wieder.
Aber um mich zu verbessern, brauche ich ein anderes Feedback. Das hole ich mir lieber gezielt von bestimmten Leuten, z.B. Freunden, die ebenfalls in dem Bereich tätig sind, oder von Dozenten.

 

animePRO: Und wie ist es, wenn man auf Cons dann ein direktes Feedback bekommt?

Kamineo: Das kommt auch wieder auf den Kontext und die Person an. Ich LIEBE Live-Feedback! Egal ob einfach nur von Fans oder von Kollegen. Ich lasse mich da gerne in Diskussionen verstricken, auch wenn die manchmal etwas kontraproduktiv sein können, wenn ich eigentlich an ConHons o.Ä. arbeiten müsste.

 

animePRO: Im Moment kann man nur durch das Zeichnen von Manga schwer seinen Lebensunterhalt hier in Deutschland verdienen. Wenn die Dinge anders lägen, wäre Mangaka denn dein Traumberuf?

Kamineo: Nein. Es macht Spaß und wenn ich kann, werde ich das auch so lange wie möglich weiter machen, aber mein Traumberuf ist es nicht. Am liebsten wäre ich gerne so etwas wie ein Manga-/Comic-/Concept-Artist mit ein bisschen bio-medizinischem Illustrator am Rande. … sollte jemand so einen Job zu vergeben haben, ihr wisst, wo ihr mich findet.

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animePRO: Du bietest auch Auftragsarbeiten an. Da gab es im Vorfeld einige Diskussionen, die Preise betreffend. Wir wollen jetzt keine Werbung machen, darum  nennen wir hier keine Zahlen oder andere Details. Aber wie denkst du über die Preispolitik im Allgemeinen, was Auftragsarbeiten angeht?

Kamineo: Auf meiner Liste meiner Lieblings-Diskussions-Themen ist das die Nummer zwei. Bei diesem Streitthema geht es eigentlich immer um die Konfrontation zwischen dem Kunden, der alles tut, um Geld zu sparen, und dem Auftragnehmer, der natürlich so viel wie möglich aus der Sache rausholen will/muss. Das Thema ist so alt wie das Konzept des Handelns selbst.
Was das Problem so brisant macht in den letzten Jahren, ist eigentlich das Auftreten einer Zwischengruppe. Nämlich die „Hobbykünstler“, die tatsächlich nur zum Spaß zeichnen und ihre Arbeiten verkaufen - und das zu Preisen, die eigentlich untragbar sind, da viel zu niedrig. Sie denken nicht daran, dass sie mit dem, was sie einnehmen, kaum ihre Materialkosten decken können, geschweige denn ihre Arbeitszeit (einfach weil sie es nicht müssen). Wenn daneben dann andere Zeichner stehen, die ihre Preise nach ihrem tatsächlichen Arbeitseinsatz bemessen (also ungelogen FAIRE Preise ansetzen), wirken die auf die Kunden im Vergleich natürlich heillos überteuert. Das Ergebnis: ein vollkommen ruinierter Markt. Aber eigentlich kann man dafür niemandem die Schuld geben, denn letztlich haben die meisten Zeichner irgendwann mal so angefangen. Es erfordert ein gewisses Minimum an Erfahrung, um einschätzen zu können, was man für welche Arbeit verlangen kann. Wenn man als Schüler einen kleinen Job annimmt, freut man sich auch über jeden Euro. Aber wenn man dann älter wird, lernt man, dass das bisschen Gehalt eigentlich die reinste Ausbeutung ist. Dann muss man auch das Rückgrat haben, dazu zu stehen und sagen können „Entweder du zahlst, was die Arbeit wert ist, oder du lässt es“. Punkt.
Und dann gibt es da noch das Argument seitens mancher (zum Glück sehr weniger) Kunden, die meinen „ihr sitzt ja nur gemütlich am Schreibtisch, mit einer Kaffeetasse und Musik im Hintergrund“ und damit begründen, dass man dafür doch unmöglich (so viel) Geld verlangen könne. Was soll man dazu noch sagen? Entschuldigung, dass ich mir kein Atelier leisten kann und mich von Koffein ernähren muss? Gerne wird verdrängt, dass Zeichnen auch Arbeit ist. Wenn man etwas zum Lebensunterhalt zeichnet, unter Druck steht, Kunden und eine Deadline im Nacken hat, ist das KEIN entspanntes „Herumzeichnen“. Es ist genauso Arbeit wie alles andere auch. Dadurch kommt es auch zu diesem etwas kuriosen Phänomen, das viele Zeichner kennen dürften: Gerade erst hat man ein schwieriges, kräftezehrendes Projekt erfolgreich abgeschlossen, da denkt man sich „Yaii, ich habe jetzt monatelang durchgezeichnet und bin fix und fertig mit den Nerven. … Zeit, etwas zu zeichnen!“ Es sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, selbst wenn die Tätigkeit von außen betrachtet ein und dieselbe ist. Das eine ist ein Job, das andere ein Hobby. Stress vs. Entspannung.
Kleine Anekdote am Rande: Nach meiner Erfahrung findet man diese unmögliche Preispolitik übrigens fast ausschließlich bei vergleichsweise jungen Manga-Fans in Deutschland. Noch nie hatte ich dieses Problem bei den alteingesessenen Comic-Fans oder ausländischen Kunden. Im Gegenteil. Die schmeißen teilweise mit Trinkgeldern nur so um sich, dass es mir fast schon selbst peinlich ist. Gerade die ausländischen Kunden wissen gute Arbeit noch wirklich zu schätzen. Das vermisse ich hierzulande sehr.

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animePRO: Und wie sieht‘s in der Zukunft bei dir aus?

Kamineo: Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Alpha² Band drei wird jetzt im Frühjahr abgeschlossen sein und danach hab ich soweit noch nichts geplant. Aber wie heißt es so schön? Unverhofft kommt oft.

 

animePRO: Gibt es noch etwas, das du unseren Lesern gerne sagen möchtest?

Kamineo: Vielen Dank, dass ihr bis zum Ende dieses Interviews durchgehalten habt (und verzeiht mir bitte die teilweise endlos langen Romane…)!

 

animePRO: Wir bedanken uns, dass du dich unseren Fragen gestellt hast und wünschen dir auch weiterhin viel Erfolg auf deinem Weg.

 

Ihr seid neugierig geworden? Dann besucht Kamineo doch auf ihrer Homepage, Deviantart, Facebook oder auch auf Animexx.

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