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Bosozoku gelten in Japan als eine Subkultur, die ihren Ursprung in den 1950er Jahren hat. Es handelt sich hierbei meist um männliche Jugendliche und erwachsene junge Männer, die nicht selten der Mittel- und Unterschicht entstammen. Oft lehnen sie die Erwartungshaltung der japanischen Gesellschaft ab – oder sind, aufgrund psychischen Drucks in der Schule, einfach nicht in der Lage, selbige zu erfüllen. Im letztgenannten Fall kommt es auch oft zu Schulabbrüchen.
Nun könnte man meinen, dass Bosozoku-Mitglieder nur ein Haufen Chaoten sind, die nichts von jeglicher Konformität halten. Dem ist aber nicht so: Auch innerhalb von Bosozoku-Gruppen gibt es eine klare Rollenverteilung sowie eine darauf basierende Hierarchie. So gilt es für die Mitglieder ihren beziehungsweise ihre Anführer vor den Gefahren rivalisierender Gruppen, der Polizei oder sonstiger Bedrohungen zu beschützen. Die Anführer selbst werden von ihrer Gefolgschaft auch oft als „großer Bruder“ bezeichnet. Respekt wird innerhalb einer Gruppe groß geschrieben.
Bei den Fahrzeugen der Bosozoku handelt es sich im Regelfall um stark modernisierte Motorräder. Zum Teil hängt das mit der Gesetzeslage in Japan zusammen: Den Führerschein für größere Krafträder erhält man nicht vor dem 18. Lebensjahr und somit müssen sich viele Jugendliche mit Maschinen begnügen, die im gekauften Zustand nur über einen Hubraum von 250cc bis 400cc verfügen. Motorräder mit mehr als 750cc sind auf dem japanischen Markt generell verboten. Möchte man also einen größeren Hubraum erlangen, muss man basteln – oder basteln lassen.
Das Design ihrer Bikes ist den Fahrern ebenso wichtig wie der Lärm und die Schnelligkeit. So wird der Frontscheinwerfer zum Beispiel hoch über das Lenkrad montiert oder es werden zusätzliche Lampen angebracht, mehrere Verkleidungsschalen übereinander gelegt – und natürlich erhält jedes Gefährt eine Sonderlackierung. Diese können ebenfalls sehr unterschiedlich ausfallen: Manche bevorzugen grelle Neonfarben, manche klassische Flammenmotive oder die Aufgehende Sonne.
Auch die Fahrer selbst legen viel Wert auf ein passendes Outfit: Sind es bei westlichen Motorradgangs die obligatorischen Lederjacken, ist das japanische Pendant der Tokkofuku. Hierbei handelt es sich um einen, meist offen getragenen, langen Mantel, welcher mit einer Vielzahl von Kanji sowie Emblemen bestickt ist. Die Kanji stellen gemeinhin kämpferische Parolen dar, bei den Emblemen kommen oft die japanische Landesflagge oder das Chrysanthemenwappen zum Einsatz. Zum Tokkofuku werden gerne weit geschnittene Hosen getragen, die in Springerstiefel gesteckt werden. Dieses Erscheinungsbild ist stark an die Uniform der Kamikaze-Flieger aus dem Zweiten Weltkrieg angelehnt.
Aber auch die klassische Lederjacke ist bei den Bosozoku vertreten, deren Rücken meist das Bandenlogo ziert.
Bezüglich der Frisuren wurde sich ursprünglich stark am westlichen Rocker-Look orientiert, was Elvis-Tollen oder ähnlich gestylte Haare hervorbrachte. Im Laufe der Zeit haben sich die Frisuren aber weitestgehend gemischt.
Bosozoku-Fahrten finden oft nachts, inzwischen aber auch am Tage statt. Manche Banden liefern sich gegenseitige Rennen, generell geht es jedoch darum, seine Ablehnung gegenüber den gesellschaftlichen Normen zum Ausdruck zu bringen, weswegen die Fahrten kaum spektakulär genug sein können. Abgesehen vom Ignorieren des Tempolimits und sonstiger Verkehrsordnung, werden auf den Motorrädern auch gerne gefährliche Kunststücke absolviert, was bis hin zum Sitzwechsel zwischen Fahrer und Beifahrer führen kann – bei vollem Tempo, versteht sich.
Manche Motorradgruppen werden auch von Autos begleitet, deren Fahrer ebenfalls zur Bande gehören. Die Autos – natürlich auch modernisiert und in Szene gesetzt – haben den Vorteil, dass sie den Bikes die Fahrtstrecke freihalten können, indem sie den übrigen Verkehr blockieren.
Manche Fahrer – sowohl die auf zwei wie auch die auf vier Rädern - schwingen große Flaggen mit der Aufgehenden Sonne, was, ähnlich wie die Embleme auf der Kleidung, an nationalsozialistische Züge erinnert. Jedoch handelt es sich bei vielen Mitgliedern gar nicht um politisch Engagierte; tatsächlich dient diese Art der Demonstration dem Zweck der Aufmerksamkeit sowie des Schock-Effektes. Vielleicht am ehesten zu vergleichen mit den Hakenkreuzen, die in den 70er Jahren von britischen Punkbands (zum Beispiel Siouxsie & the Banshees) getragen wurden und als genauso unpolitisch gedacht waren.
Obwohl die Bosozoku ein eher männliches Verhalten an den Tag legen, gibt es auch weibliche Mitglieder sowie ganze weibliche Gruppen. Manche von ihnen orientieren sich bei ihrer Kleidung an den männlichen Kollegen, während andere sowohl sich als auch ihre Bikes betont weiblich gestalten.
Oft wird behauptet, die Bosozoku stünden im direkten Kontakt zu den Yakuza, wobei es sich hierbei um genau solch ein Vorurteil handelt wie die Behauptung, jeder tätowierte Japaner sei ein Yakuza-Mitglied. Manche Bosozoku kaufen bei der Yakuza Aufputschmittel oder andere Drogen, um den Kick während der Fahrten zu erhöhen. Die Bosozoku, die es tatsächlich in die Reihen der Yakuza schaffen, erlangen jedoch in den meisten Fällen nur einen sehr niedrigen Rang.
Wie bei vielen Subkulturen nicht unüblich, sind auch die Bosozoku in der Popkultur repräsentativ: In dem berühmten Manga beziehungsweise Anime „Akira“ sind sie ebenso vertreten wie in „Bukkomi no Taku“, „Shonan Jun'ai Gumi!“, „Great Teacher Onizuka“ oder auch „Fruits Basket“. In den Filmen „Kamikaze Girls“, „Crazy Thunder Road“, „Black Rain“ und „The Fast and the Furious: Tokyo Drift“ tauchen ebenfalls Bosozoku-Elemente auf. Und auch Musiker haben sich schon von der Optik inspirieren lassen: Die Bühnenoutfits der Punkband BAKUBENI erinnern gleichermaßen an Bosozoku wie auch die Kleidung der temporär zusammengestellten Muteki-Band auf dem „Extasy Summit '92“, welches damals von X Japans Yoshiki ins Leben gerufen wurde.
Im Jahre 2002 fand jedoch eine Gesetzesänderung statt, welche es der Polizei seither nun erlaubt, Bosozoku-Mitglieder aufgrund ihres gefährlichen Fahrstils zu verhaften – zuvor war dies erst möglich gewesen, nachdem ein Bosozoku-Mitglied einen Unfall im Straßenverkehr verursacht hatte. Daraufhin veränderte sich das Verhalten vieler Mitglieder stark: Plötzlich fuhren viele mit Helm und verzichteten auf die waghalsigen Stunts. Manche Gruppen fahren inzwischen ausschließlich tagsüber. Und auch die Maschinen sind bei vielen kleiner und leistungsschwächer geworden. Selbst die typische Uniform wird inzwischen von manchen durch Alltagskleidung eingetauscht.
Der ein oder andere spricht bereits vom Aussterben der Bosozoku. Jedoch sind nach wie vor noch Vertreter der alten Schule auf den Straßen Japans unterwegs, vom Norden Hokkaidos bis ins südliche Okinawa. Wie sich deren Zukunft nun letztendlich gestaltet, wird die Zeit zeigen.
Aufmacher: Julia Kefenhörster
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