Luna Sea Live in Bochum

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Bildcopyright: Franziska Richter, Luna Sea

Luna Sea gehen auf Welttournee – dieser Satz hat wohl die J-Rock Fangemeinde in Europa in hellen Aufruhr versetzt. Zugegebenermaßen ist die Tour recht kurz, da in Europa und Amerika jeweils nur ein Konzert angesetzt ist, aber eine Sensation ist es für die Fans der bereits 2000 getrennten Band allemal. In Bochum fand am 27. November 2010 ihr einziges Europakonzert statt.

Inhalt

Dieser Tag sollte der Anfang ihrer kurzen Welttour werden, die ein neues Kapitel in ihrer Bandgeschichte aufschlagen soll. Hunderte bis tausende Fans aus ganz Europa pilgerten an diesem kalten Tag zum Ruhrkongress nach Bochum. Aus Frankreich, England, Schweden, Italien, Russland – aus jedem Winkel schienen sie zu kommen um einen ganz besonderen Abend zu erleben.

Der Einlass, auf 17:30 Uhr angesetzt, war nahezu pünktlich, wenngleich für die ersten Reihen alles andere als angenehm, als die Fans geradewegs auf den einzigen geöffneten Eingang zustürmten. Gleich gegenüber befand sich der Merchandisingstand, bei dem die Fans Tourshirts, Tourbooks, Handtücher, Poster und weitere Fan-Kostbarkeiten erstehen konnten. Die Preise bewegten sich hierbei im üblichen Rahmen.

Links vom Eingang und Merchandisingstand kam man in die Halle, die auf Wunsch der Fans "seated", also bestuhlt, war. So mancher Fan kannte diese Art von Konzert aus Japan und war von vornherein begeistert begeistert von der Tatsache, dass Gedrängel und Geschubse ausbleiben würden. Diejenigen, die es nicht kannten, waren zunächst skeptisch, doch auch deren Bedenken wurden bald zerstreut.
Die Bühne zierten die bereits aufgestellten Instrumente, wobei das Drumset leicht erhöht stand. Ein großer Mond war mit der Aufschrift „Luna Sea“ auf schwarzem Untergrund zu sehen. [[GALERIE1]]

Der Auftritt der Band verspätete sich etwas über eine Viertelstunde, aber die Fans wussten, wie man sich die Zeit bis dahin vertreibt: Laola-Wellen machen! Die linke Seite sowie die mittlere Reihe machten eine Laola-Welle von unten nach oben nach der anderen, applaudierten und feierten ihr Zusammensein. Dann endlich verlosch das Licht, die Fans sprangen von ihren Sitzen, Musik wurde eingespielt und Shinya (Schlagzeug), Sugizo (Gitarre/Violine), J (Bass), Inoran (Gitarre) und Ryuichi (Gesang) betraten unter lautem Jubel und jeder Menge Nebel die Bühne. Inoran und Ryuichi traten zunächst mit Sonnebrille auf.

Luna Sea ließen sich auch nicht lange bitten, sondern begannen umgehend mit dem ersten Song „Loveless“. Dies war ein guter Auftakt für ein Konzert in Deutschland, da Ryuichi immerhin in dem Song auf Deutsch von eins bis vier zählt – was alle Fans begeistert immitierten, auch unsere europäischen Nachbarn. Sugizo hingegen bewies gleich von Anfang an, dass er zu denjenigen mit dem größten Ego (neben jeder Menge Talent) gehörte. Er spielte nämlich für den Song mit einer sogenannten "Tripleneck-Gitarre", einer Gitarre mit drei Hälsen à sechs Saiten. Das schwarze Instrument wirkte neben dem zwar für einen Japaner recht großen, aber doch sehr dünnen Sugizo extrem wuchtig. Nichtsdestotrotz schien er keinerlei Schwierigkeiten gehabt zu haben auf dem Instrument zu spielen und zeigte, dass er nicht umsonst das Vorbild vieler junger Gitarristen in Japan ist.
Nach kurzer Zeit nahmen Ryuichi und Inoran endlich ihre Sonnenbrillen ab, wenngleich sich der zweite Gitarrist noch einige Zeit gern auf seiner linken Seite verstecken wollte. Das anfängliche schüchterne bis unsichere Grinsen von J wich sehr schnell einem Strahlen und war kaum mehr aus dem Gesicht des Bassisten zu wischen.
Es dauerte nicht lange bis auch die übrigen Bandmember langsam auftauten und die Interaktion mit den Fans begannen. Sugizo liebt es ohnehin mit dem Publikum regelrecht zu flirten, tanzte umher, verbiegte sich nach hinten, reckte die Gitarre in die Höhe, nur um erneut herumzuwirbeln. Doch auch Ryuichi und J begannen recht schnell die Fans anzutreiben und am Bühnenrand hin und her zu laufen um keinen zu verpassen. Selbst Inoran wurde nach einiger Zeit warm und begann sich am Bühnenrand in der Nähe seiner Fans pudelwohl zu fühlen, sodass auch bei ihm ein Lächeln kaum mehr zu unterdrücken war.

Auch wenn die Band ein hohes musikalisches Niveau darbot, hatten sie auch mit dem Umstand zu kämpfen, dass wieder einmal die Akkustik nicht die beste war. Es waren die Instrumente zu laut eingestellt - leider ein Umstand, der auf vielen J-Music-Konzerten in Deutschland passiert. Dennoch war Ryuichi die meiste Zeit einigermaßen gut zu verstehen, sodass es der guten Stimmung oder dem Genuss seiner klaren Stimme kaum Abbruch tat.
Passend dazu war auch die Beleuchtung justiert, die vor allem durch die Farben rot, grün und violett dominierte. Sie ließ den Mond, den Nebel und die Band in einem mystischen Licht genau abgestimmt zu den jeweiligen Songs erscheinen. Mehrteilige farbige Scheinwerfer wurden sehr großzügig eingesetzt und blinkten bei den schnelleren Songs im Rhythmus der Gitarrenriffs oder des Schlagzeugs.

Leider waren Ryuichis MCs fast komplett auf japanisch, lediglich einige Standardphrasen wie „Seid ihr bereit/Are you ready?“ und „Dankeschön“ waren auf deutsch oder englisch.

Mit „Gravity“ und „Ra-Se-N“ wurden zwei Publikumslieblinge gespielt und besonders letzterer Song sorgte für einen Schauer bei den Fans. Dieser steigerte sich langsam in seiner Intensität immer weiter bis er auf seinem Höhepunkt die Sinne zu sprengen drohte und ein Gefühlschaos im Inneren auslöste. Nach dem Song wurde die Bühne dunkel. Kurz hatten die Fans Zeit sich von dieser musikalischen Extase zu erholen, da erklangen die Töne von Sugizos Violine. Bedingt durch die Akkustik klang das Spiel nicht wirklich sehr sauber, bzw. hatte Sugizo mit ihr bereits bessere Auftritte. Providence im sanften violetten Licht und Ryuichis ebenso sanfte wie dunkle Stimme entführen das Publikum erneut in eine Trance, in eine mystische Welt des Mondes. Viel zu kurz kam einem dieses schöne, so ganz andersartige Spiel der Band vor.

Bald darauf verschwanden vier Member von der Bühne und ließen Schlagzeuger Shinya allein zurück, der wissend grinste, was nun kommen würde.
Anfangs noch fast zaghaft trafen die Sticks auf verschiedene Trommeln, doch steigerte sich sein Spiel ähnlich wie bei „Ra-Se-N“ von Sekunde zu Sekunde. Trimmeln, Backen, Bassdrums mischten sich zu einem faszinierenden Rhythmus. Immer schneller, immer lauter, Pause – „SHINYA!“ Rufe, Schlag, „SHINYA!“ – Schlag – „SHINYA!“. Das Trommeln ging weiter, mal schneller, mal langsamer, mal lauter, mal leiser, hin und her, ein Schlag – „SHINYA!“. Shinya ließ sich zu Recht eine Weile feiern bis er Gesellschaft in Gestalt von J und dessen Bass bekam. Mit einem breiten Grinsen betrat er die Bühne, stellte sich vor Shinya auf und bewies, dass er nicht umsonst als einer der besten Bassisten Japans gehandelt wird. Er ist ein großes Vorbild vieler Jungbassisten und jener, die es werden wollen.
Zusammen mit Shinya gab er einen einschlägigen Rhythmus vor, bezog das Publikum mit ein, die in einem bestimmten Takt rufen mussten. Das Drumm-Bass-Solo war eines der Höhepunkte des Abends. Selbst nach zehn Jahren harmonisierten Shinya und J perfekt, als hätten sie nie etwas anderes gemacht und als hätte es nie eine so lange Trennung gegeben.

Als Sugizo in einem glitzernden Oberteil, Inoran und Ryuichi die Bühne wieder betraten, ging es zunächst weiter mit „Fate“.
„Time is Dead“ brachte das Publikum erneut dazu sich die Seele aus dem Leib zu schreien, bevor J ein Mikrofon hingestellt und das langersehnte „Rosier“ angekündigt wurde. Das holte auch das allerletzte aus den Fans heraus: mitrocken und headbangen. Nie war der Gesang der Fans lauter als bei diesem Song. Natürlich hatte J seinen Sprechpart, der darin endete, dass er sein Mikrofon samt Ständer hinter sich irgendwo in die Weiten der Bühne warf. Kurze Zwischenpause, in der es aber nur auf der Bühne merklich ruhiger wurde, während das Publikum nach mehr lechzte und es auch bekam.

Nach „Tonight“ verließ die Band langsam die Bühne. Viele waren vom Schreien noch ganz heißer, doch es dauert nicht lange bis die Encore (Zugabe)-Rufe einsetzten. Lange ließen sich die fünf nicht bitten und betraten erneut die Bühne um drei weitere Songs zu performen. Ganz Luna Sea-like klang der Abend mit „Wish“ aus. Jedoch ohne Papierschlangen, die durch die Luft flogen, was doch ein wenig schade war. Dennoch war ein Strahlen auf den Gesichtern der Bandmitglieder zu sehen, ebenso wie bei den Fans. Zwar wusste fast jeder, dass „Wish“ der letzte Song sein würde, doch versprühte der Song so viel Spaß, Freude und die Hoffnung auf ein Wiedersehen, dass zunächst gar keine Traurigkeit aufkam. Pleks und Drumsticks sowie Wasserflaschen wurden verteilt, bevor sie abermals verschwanden. Sugizo zeigte hier, dass er trotz seiner eher schmächtigen und dünnen Statur doch einen sehr kräftigen Wurfarm besaß.

Kurz darauf kehrten sie wieder zurück. Sugizo und J ließen auf englisch verlauten, wie sehr ihnen der Abend gefallen hatte und dass sie hoffen die Fans bald wiedersehen zu können. Inoran dagegen begnügte sich mit einem einzigen Wort – was mehr ist, als er sonst auf diversen anderen Konzerten gesprochen hatte. Ein letzter Abschied, dann hielten sich Luna Sea an den Händen und sprangen gemeinsam mit dem Publikum in die Höhe. Sugizo schoss von der Menge noch einige Fotos, während die anderen langsam endgültig die Bühne verließen. Der Gitarrist, traditionell das letzte Mitglied der Band, der die Bühne verlässt, verbeugte sich in Dankbarkeit und verschwand ebenfalls.

Viele Fans im Publikum konnten gar nicht realisieren, dass sie die Band gerade live gesehen hatte. Viel weinten, alle wünschten sich die Band für einen weiteren Auftritt zurück.
Ein großartiger Abend, der sich wohl definitiv in die Herzen der Fans eingebrannt und den Maßstab für J-Rock Konzerte extrem hoch angesetzt hat. Die Erfahrung der Mitglieder war nicht zu überhören und nicht zu übersehen. Auch nach einer sehr langen "Bandpause" merkte man, wie gut sie harmonieren, wie perfekt sie aufeinander abgestimmt sind, wie viel ihnen Musik bedeutet und wie viel Spaß sie an diesem Abend hatten. Dieses Konzert wird auch die Band nicht so schnell vergessen.

 


Setlist:

01. LOVELESS
02. Dejavu
03. SLAVE
04. END OF SORROW
05. TRUE BLUE
06. FACE TO FACE
07. gravity
08. Ra-Se-N
09. Providence
10. GENESIS OF MIND
11. Drum + Bass Solo
12. FATE
13. STORM
14. DESIRE
15. TIME IS DEAD
16. ROSIER
17. TONIGHT

Encore

18. I for You
19. PRECIOUS...
20. WISH

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