Boys for Sale

Geschrieben von Bettina
Bildcopyright: Werkstattkino, Ian Thomas Ash, animePRO, Boys for Sale, Nachtschatten Festival

Am 24.06.2018 durften wir im „Werkstattkino“ in München im Rahmen des „Nachtschatten Festival“ die Dokumentation „Boys for Sale“ sehen.
Anschließend stellte sich der Filmemacher Ian Thomas Ash noch den Fragen der Zuschauer. Ein wirklich beeindruckendes Erlebnis für uns.

Inhalt

Groß prangt das Schild mit dem homosexuellen Pärchen in Shinjuku 2-chome: „Lasst euch regelmäßig testen!“ und zieht den Zuschauer gleich mit den ersten Bildern in den Bann. Lediglich jedoch die Zuschauer. Denn die Japaner, die in diesem Viertel ihre Kreise ziehen, achten wenig darauf. Sie sind sich wohl nicht einmal sicher, was HIV positiv bedeutet. Aufklärung über Geschlechtskrankheiten? Kein Thema im Land der aufgehenden Sonne. Über Sex spricht man noch immer nicht. Aber man betreibt ihn. Und das eben nicht nur im Hetero-Sinne.

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Die sogenannten „Urisen“, um die es in „Boys for Sale“ geht, verkaufen ihre Körper hauptsächlich an Männer. Jene, die homosexuell sind, verheiratet und ihre Vorliebe nicht ausleben können oder einfach keinen Partner haben. Während die Urisen meist zwischen 18 und höchstens 26 Jahre als sind – darauf wird von den Managern der Branche geachtet – sind ihre Kunden oft ab 60 Jahren aufwärts. Sind sie jung und brauchen das Geld? Ja, auf jeden Fall. Manch einer hat nach der Katastrophe von Fukushima alles verloren, ein anderer hat Schulden und der nächste will seiner Familie finanziell unter die Arme greifen. Doch die Meisten wußten nicht, worauf sie sich in diesem Job einließen. Während die Manager und Scouts behaupten, ihre „Mitarbeiter“ vorher aufzuklären, womit sie ihr gutes Geld verdienen, erklären die Jungs, dass sie anfangs dachten, lediglich einem Escortservice beizutreten. Also den Gast unterhalten und mit ihm trinken. Von Sex, vor allem mit Männern, war keine Rede. Auch das sogenannte Training ist eine glatte Lüge des Managers. Doch ist man einmal in diesem Job gefangen, kommt man nicht mehr so leicht davon los. Manch einer verdient ganz gut, manch einer weiß nicht, wo er hinsoll. Immerhin wird auch ein Schlafplatz geboten. Dieser ist jedoch eng und man teilt ihn sich mit bis zu fünf weiteren Kollegen.

Ein unerträgliches Leben? Für manch einen Europäer wohl schon. Einige der (ehemaligen) Urisen sehen das anders.
„Es ist wie ein täglicher Schulausflug“, sagt einer, den es nicht stört, sein Zimmer zu teilen.
„Nach dem dritten Tag habe ich Spaß daran gehabt“, gesteht ein Anderer.
Nicht alles daran scheint also schlecht zu sein, oder? Immerhin geht manchen Urisen ihr Service über alles. Ihr Ziel: Den Kunden zufriedenzustellen. Eine beeindruckende Einstellung. Ist das nur der Schein, der trügt? Warum sonst geben sich einige nicht offen zu erkennen, erzählen von ihrer Freundin und dass sie definitiv hetero sind?
Ein weiteres Thema, das aufstößt: Urisen werden für schwul gehalten, die meisten sind jedoch hetero. Und selbst wenn sie homosexuell sind, dürfen sie es nicht preisgeben. Denn bei einem solchen Urisen hätte der Kunde ja Chancen und dann würde er nicht mehr zu einem Besuch kommen und zahlen, sondern den Jungen so umwerben.

Ein geheimes Gewerbe, dass gar nicht so geheim ist, denn vom einfachen Geschäftsmann bis hin zum bekannten Politiker – Kunden gibt es zuhauf.
Ob das der Grund ist, wieso die Dokumentation in Japan nur einmal gezeigt werden durfte? Dabei wurde mit den Kunden nur außerhalb der Dreharbeiten gesprochen. Immerhin ging es Ian Thomas Ash um die Urisen selbst. Er wollte deren Welt zeigen und nicht die der Bezahlenden. „Das wäre eine ganz eigene Geschichte“, meint er.
Illegal ist das Ganze ja nicht. Immerhin gibt es im Prostitutionsschutzgesetz kein Verbot für Sex zwischen Männern.

Leicht hat es der Filmemacher aber mit seinem Thema nicht. Es ist kritisch und in Japan wird, wie gesagt, nicht über Sex gesprochen. Schon gar nicht über einen, der „aus der Reihe tanzt“, weil er nicht hetero ist. Andere Länder sind da offener. Ash hat schon viele Orte für ein Screening bereist und es ist toll, dass er es auch nach Deutschland beziehungsweise München im Rahmen des „Nachtschatten BDSM/Fetisch Film Festival“ geschafft hat.

„Boys for Sale“ ist wirklich authentisch und auch wenn es teils real und grausam ist, so ist doch auch dieser überraschende Flair dabei, wie die Urisen damit leben und umgehen.
Ian Thomas Ash hatte ihnen die Wahl gelassen sich zu zeigen, Fakenamen zu benutzen oder sich zu maskieren. Das ließ den Großteil der Jungen offen und direkt sprechen. Nicht selbstverständlich bei den Japanern. Dennoch sind sie nervös und lachen viel, obwohl ihre Aussagen nicht lustig sind. Verlegenheit? Scham? Ihre Einstellung damit umzugehen? Wohl von allem etwas.

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Wer etwas Japanisch kann, wird merken, dass sich mit dem englischen Untertitel sehr viel Mühe gegeben wurde, ihn so authentisch wie möglich zu gestalten, damit die Geschichte nicht verändert wird.
Da man die sexuellen Szenen zwischen den Kunden und den Urisen natürlich nicht filmen konnte, wurden diese gezeichnet und animiert. Wer hier jetzt an Yaoi-Manga denkt, der wird enttäuscht werden – was sehr gut ist. Denn die Szenen sollen ja nicht anregen, sondern die Situation darstellen, wie sie ist: Arbeit beziehungsweise nicht unbedingt schön für den Urisen.
Des Weiteren wurde die Dokumentation durch die AKTA, dem LGBT Community Center in Shinjuku 2-chome, bereichert, die versuchen, Aufklärung zu betreiben und sogar Kondome verteilen. Angenommen wird das Ganze nicht so oft, wie es nötig wäre, aber es ist immerhin ein Ansatz und das Center ist offen für die, die „anders“ sind und aus dem „Rahmen fallen“. Jene, die oft nicht nur in Japan nicht gerne gesehen werden.

Fazit!

Unser Fazit: Die Dokumentation ist für alle interessant, die gerne mal hinter die Fassade von Shinjuku 2-chome und ihren „Boyssale“ schauen wollen. Abseits von Manga und Anime.

Wir finden den Film äußerst empfehlenswert und sehr gut umgesetzt.
Daher danken wir dem „Nachtschatten BDSM/Fetisch Festival“ und Ian Thomas Ash für die Chance, die 76-minütige Dokumentation in Deutschland sehen zu dürfen.
Eine Auflage auf DVD zum verbreiten des Films würden wir befürworten.

Wer mehr über den Film wissen möchte, kann ihm hier auf Facebook folgen oder die Homepage besuchen. Dort findet man auch „Deleted Scenes“.

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