Inhalt
Das deutsch-japanische Gespräch nach Feierabend
Andreas Neuenkirchen und Junko Katayama lernten sich in Tokio kennen, haben dort geheiratet und lebten schließlich mehrere Jahre in München, wo ihre Tochter Hana geboren wurde. Soweit ist das auch die Geschichte ihres Buches »Matjes mit Wasabi«. Inzwischen ist die Kleinfamilie nach Tokio umgesiedelt, wo Junko einer anständigen Arbeit nachgeht und Andreas sich um weitere Bücher und das Kind kümmert (wobei freilich letzteres ebenfalls eine anständige Arbeit ist). Wir belauschen die Eheleute bei abendlichen Gesprächen, die sich beinahe wirklich so zugetragen haben könnten.
Heute: Alles (nur leider kein) Käse
Andreas: „Kommt heute etwas im Fernsehen?“
Junko: „Heute kommt etwas übers Essen.“
Andreas: „Das versteht sich ja nun von selbst, wir sind schließlich in Japan. Ich meinte eigentlich: Kommt heute etwas Ungewöhnliches, Interessantes, vielleicht sogar Gutes im Fernsehen?“
Junko: „Ich glaube, diese Sendung ist interessant. Es geht um japanischen Käse. Internationale Experten wurden eingeladen, um ihre Meinung dazu zu sagen.“
Andreas: „Das klingt tatsächlich nicht uninteressant. Wie lange dauert die Sendung denn?“
Junko: „Ungefähr zwei Stunden.“
Andreas: „Das ist typisch japanisch – sich zur besten Sendezeit von ungehobelten Ausländern zwei Stunden unter die Nase reiben zu lassen, wie schlecht der japanische Käse ist. Vermutlich in einem Fernsehstudio, in dem kurz vor der Sendung mehrere Farbeimer und Kartons mit Dekomaterial aus den Siebzigern und Achtzigern explodiert sind.
Junko: „Dass deutsche Fernsehstudios ausnahmslos so farblos und schlicht sind, lasse ich Japan nicht ankreiden. Unser Käse ist allerdings wirklich ganz übel. Das ist mir erst bewusst geworden, als ich in Deutschland gelebt habe.“
Andreas: „Dabei hat Deutschland noch nicht mal eine sonderlich hohe Käsekompetenz. Als ich das erste Mal holländischen Käse aus der Hand eines echten Holländers gegessen hatte, dachte ich, ich könnte nie wieder deutschen Käse essen. Konnte ich irgendwann doch wieder, aber es sollte nie wieder dasselbe sein. Inzwischen kann ich sogar japanischen Käse essen, wenn es sein muss.“
Junko: „Es muss ja gar nicht immer sein. Den verpackten Käse, den wir in deutschen Supermärkten für den Alltag gekauft haben, gibt es hier auch, im Feinschmeckerkühlregal gehobener Supermärkte. Schon traurig, dass unser alter Alltagskäse jetzt unser Wochenendkäse geworden ist.“
Andreas: „Es gibt sogar richtig guten Käse, aber dafür muss man sich in eine gehobene Weinhandlung bemühen. Dort bezahlt man für das Stückchen Käse natürlich ungefähr so viel wie für die gehobene Flasche. Apropos Flasche: In einer dieser Ausländerzeitungen schrieb neulich ein Kolumnist, Japaner würden ihren Käse lediglich als feste Hamburgersauce betrachten. Ich bin eigentlich kein Freund dieser Meckerkolumnen, doch da muss ich ausnahmsweise mal sagen: Auf den Kopf getroffen.“
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Junko: „In der Tat ist japanischer Käse in erster Linie dazu gedacht, formschön zu schmelzen. Führende Käsehersteller müssen ständig ihre Rezeptur ändern, wenn führende Mikrowellenhersteller ihre Modelle ändern, damit das Schmelzerlebnis für den anspruchsvollen japanischen Kunden stets dasselbe bleibt. Jeder Käse wird mit 160 verschiedenen Mikrowellen getestet.“
Andreas: „Vor diesem Perfektionismus habe ich sogar einen gewissen Respekt. Trotzdem hat das nicht mehr viel mit Käse zu tun.“
Junko: „Wirklich nicht. Ein Käse, den ich heute gesehen habe, wirbt damit, dass er mehr als fünf Prozent Käse enthalte.“
Andreas: „Na, das ist dann immer noch höherer Käsegehalt im Käse als Brotgehalt im japanischen Brot.“
Junko: „Lass uns vom Brot lieber gar nicht erst anfangen. Sonst wird das noch eine dieser Meckerkolumnen, von denen du kein Freund bist. Schauen wir jetzt lieber diese Sendung.“
Andreas: „Oh, Farbfernsehen!“
Junko: „Klappe.“
Fazit!
Schalten Sie auch das nächste Mal wieder ein, wenn Sie Andreas Neuenkirchen sagen hören: „Ich finde es übrigens nicht gut, dass du unserer Tochter den Hitler-Gruß beigebracht hast.“
An dieser Stelle noch einmal ein großes Danke an Junko Katayama und Andreas Neuenkirchen, die diesen Text geschrieben haben und an den Conbook Verlag, der uns erlaubt hat, diesen bei uns online zu nehmen.
Wer Teil 1 über die japanischen und deutschen Müllverhältnisse verpasst hat, der kann hier das Gespräch nachholen.
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