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Der Stadtteil Gubei beherbergt den Großteil der japanischen Bewohner in der chinesischen Küstenstadt. Japanische Restaurants und Schilder säumen die Straßen, selbst die schwarzgebrannten DVDs sind japanisch. In einem der mehrstöckigen Häuser lebt Ryota in einer kleinen Wohnung, deren größten Teil ein schlichtes Zimmer einnimmt. Die Einrichtung besteht hier im Wesentlichen aus seinen Instrumenten und Notenständern. Was an Möbeln fehlt, wird durch Musik ersetzt, die hier im Vordergrund steht.
Der 30-Jährige kommt ursprünglich aus Osaka. Den Klischees eines Japaners entspricht er gar nicht, er ist sehr locker, scherzt und lacht gerne. Sein Äußeres mit der lässigen Kleidung und dem Beanie lässt eher auf einen Rock- als traditionellen Musiker schließen. Durch seine Familie ist er jedoch in gewisser Weise vorbelastet – seine Mutter und viele andere Verwandte arbeiten als traditionelle Musiker oder Tänzer. Durch diesen Hintergrund hat er viel Unterstützung für seine Musikerlaufbahn bekommen. Gleichzeitig gab es aber auch einen gewissen Druck, da seine ganze Familie sehr erfolgreich ist. Sein Onkel ist professioneller Shamisenspieler und hat ihn mit sieben Jahren darauf gebracht, ebenfalls das traditionelle japanische Instrument mit den drei Saiten zu lernen.
Während er die Geschichte der Shamisen zusammenfasst, demonstriert er beiläufig, welche Musikstile man mit ihr ausreizen kann. Ursprünglich ist sie im 16. Jahrhundert aus China nach Japan gekommen, hat sich aber seitdem sehr verändert. Nur die typische Version ganz im Süden Japans ist ihrem chinesischen Vorfahren noch ähnlich. Die typische japanische Shamisen ähnelt entfernt einer Gitarre – sie wird mit einer Art Plektron geschlagen, aber ihr kleiner Klangkörper am unteren Ende (bezogen mit Hund-, Schlangen- oder Katzenhaut) kann auch als Trommel genutzt werden. Am Anfang sei Shamisenspielen sehr schwer, weil es mit vielen strengen Regeln verbunden ist – wie man sitzt, wie man sie hält, wie man spielt. Trotzdem wird sie heutzutage in Japan nicht nur für traditionelle Musik, sondern auch für Rock oder Jazz benutzt.
Nach dem Highschoolabschluss hat Ryota zunächst fünf Jahre lang in Japan die Shamisen studiert. Über eine der CDs seines Onkels war er bereits mit 18 auf die Idee gekommen, auch Erhu zu lernen und nahm erste Unterrichtsstunden. Aber erst nach dem Abschluss an der japanischen Uni kam er nach Shanghai, um hier das Konservatorium zu besuchen und auch die Erhu in all ihren Facetten kennen zu lernen.
Kann man den Vergleich zwischen der Shamisen und einer Gitarre ziehen, so ähnelt das Streichinstrument Erhu eher der Geige. Sie hat nur zwei Saiten, zwischen denen der Bogen aus Rosshaar liegt. Auch sie hat am unteren Ende einen mit Schlangenhaut bespannten Klangkörper, der jedoch in der Regel nicht als Trommel benutzt wird. Den Bogen hält man locker mit der rechten Hand, die linke liegt an den zwei Saiten. Auch hier gibt es viele Regeln, aber sie sind nicht so streng und mit traditioneller Bedeutung aufgeladen wie bei der Shamisen. Vielleicht, so Ryota, kann die Erhu deswegen leichter für moderne Musik eingesetzt werden; kurz darauf improvisiert er aber einen Ausschnitt aus einem Stück von Bach.
Vor eineinhalb Jahren, im Sommer 2010, hat er die nationale Erhu-Prüfung in Peking als erster Japaner mit der Bestnote bestanden – seitdem ist er selbstständig. Er spielt und unterrichtet beide Instrumente und ist u.a. auf der Expo und vor der Volksversammlung in Peking aufgetreten, gleichzeitig ist er gern gesehener Gast bei der japanischen Botschaft und japanischen Firmen. Hier profitiert er von den vielen Beziehungen, die er während seiner Zeit am Konservatorium in Shanghai geknüpft hat. Bei Auftritten spielt er vor allem moderne Stücke, während im Unterricht der Schwerpunkt auf den klassischen Liedern liegt. „Es kommen viele Japaner zu mir, die auch die Erhuprüfung ablegen und dann in Japan selber Erhu-Lehrer werden wollen“, erklärt Ryota, „darum müssen sie die alten Stücke lernen. Es ist ein bisschen komisch“, meint er grinsend, „aber irgendwie wollen alle Japaner Erhu und alle Chinesen Shamisen lernen.“
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Zusätzlich zu diesen beiden Einkommensquellen gibt es auch immer mal wieder andere Projekte, wie z.B. die „Asian Miracle Generation“. Dort hat er sich mit einem koreanischen Gitarristen, einem chinesischen Zheng-Spieler und einem koreanischen DJ zusammengetan, um eigene Kompositionen und Coverversionen von Jazz bis Rock zu spielen. Leider seien sie momentan alle in verschiedenen Ländern, deswegen hätten sie eine Pause eingelegt.
Fazit!
„Eigentlich“, meint Ryota nachdenklich, „habe ich nie wirklich die Entscheidung getroffen, Musiker zu werden. Es hat sich einfach ergeben. Aber eventuell höre ich mit 40 auch auf und mache etwas ganz Anderes“, ergänzt er lachend. Vielleicht liegt es daran, dass Musik ihn schon so lange begleitet und zum Teil seines Alltags geworden ist, jedoch ohne dass er die Freude daran verloren hat. „Ich sehe sie nicht als Arbeit an, sie ist so natürlich wie Essen und Trinken. Durch die Erhu habe ich ein noch größeres Verständnis für die Musik bekommen und dadurch hat sich auch meine Art, Shamisen zu spielen, verändert. Vor einigen Jahren habe ich begonnen, meinen eigenen Stil zu entwickeln. Ich finde es auch nicht wichtig, aus objektiver Sich ein guter Musiker zu sein – wichtig ist, dass ich für mich so spielen kann, dass es mir gefällt. Darum improvisiere ich meistens, wenn ich alleine spiele“, erklärt er und beginnt gleich wieder eine ausgelassene Melodie auf der Shamisen, die sich immer weiter steigert und dann abbricht.
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