Schnupper-Stunde: Roppongi Ripper - Teil 3

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Nachdem wir in Teil 1 und Teil 2 bereits mehrere bekannte Charaktere wiedersehen durften und mit einer kopflosen Leiche in einer Damentoilette konfrontiert wurden, stellt sich nun die Frage, wie das alles überhaupt passieren konnte. Weiter geht es mit Teil 3 der Roppongi Ripper-Leseprobe von Andreas Neuenkirchen!

Inhalt

Schwertkampf in der Damentoilette

Nachdem Maeda eine für ihn befriedigende Anzahl von Fotos gemacht hatte, kramte er einen Block Papier, verschiedene Bleistifte, Zirkel und Formen hervor und zeichnete den Tatort.
Nakashima war verblüfft. Er flüsterte Kawase zu: »Er zeichnet den Tatort?«
Statt des Angesprochenen antwortete Maeda selbst, ohne von seinem Block aufzusehen: »Ich kann Sie hören! Ich bin kaum einen Meter von Ihnen entfernt.«
»Oh, verzeihen Sie! Ich dachte, Sie wären ganz in Ihre Arbeit vertieft.«
»War ich auch.«
»Nochmals: Bitte verzeihen Sie.«
Maeda lächelte, weiterhin ohne aufzusehen. »Es sei Ihnen verziehen. Wenn ich den Tatort zeichne, muss ich mich dabei stärker konzentrieren, als wenn ich nur die Fotos mache. Vielleicht bemerke ich dabei etwas, was mir sonst nicht aufgefallen wäre.«
»Und? Bemerken Sie etwas?«
»Lassen Sie den Mann zeichnen!«, ging Kawase dazwischen.
»Meine hauptsächliche Arbeit beginnt erst später im Labor. Momentan sehe ich eine ganze Menge Blut«, erläuterte Maeda.
»Das sehe ich auch«, sagte Nakashima. Er hoffte, dass aus seinem Ton nicht der Klartext herauszuhören war: Das sieht ja nun jeder.
»Das ist wahrscheinlich das Blut einer einzigen Person«, fuhr Maeda fort. Er legte den Block fort. »Wenn hier ein Kampf stattgefunden hat, dann war es ein sehr ungleicher.«
Nakashima konnte sich nicht zurückhalten. »Wäre ja auch unwahrscheinlich, dass das Opfer ebenfalls ein Schwert bei sich gehabt hat und es zu einem ebenbürtigen Duell in einer öffentlichen Toilette gekommen ist.« ›Oder waren das Highlander?‹, fügte er in Gedanken hinzu und rügte sich im nächsten Moment selbst dafür.
»Stimmt.« Maeda wirkte ungerührt. »Allerdings tragen viele dieser Hostessen Messer bei sich.« Er schaute sich um, machte eine komplette Drehung, deutete mit dem Finger. »Dort liegt ihre Handtasche, in Quadrant 2.« Er bezog sich auf seine eigene Nummerierung, eine weit von der Leiche entfernte Ecke des Raums. »Dort hat er sie nicht angegriffen.«
»Er? Wissen wir, dass es ein Mann war? Vielleicht war der Täter eine Frau«, unterbrach Nakashima. »Ist schließlich ... eine Damentoilette«, fügte er hinzu und kam sich sogleich blöd vor.
Maeda überlegte, vielleicht nur aus Respekt, oder Mitleid. »Das können wir nicht wissen, es ist aber unwahrscheinlich. Der Angriff wurde mit großer Kraft ausgeführt. Die Handtasche hat einen zerrissenen Riemen ...«
»Dann hat er ihr die Handtasche erst entrissen und so weit wie möglich weg geworfen. Vielleicht ahnte er, dass sie darin eine Waffe hat.« Nakashima fand, dass das seine erste qualifizierte Äußerung zu diesem Fall war.
Maeda schien dasselbe zu denken. Er lächelte ihm ermutigend zu. »Sehen Sie sich diese Blutflecken an.« Er deutete auf eine bogenartige Formation nahe der Toilettenschüssel, in der der Kopf lag.
Nakashima kam nicht umhin, er schaute sich die Flecken an.
Maeda positionierte sich parallel zu ihnen und machte ausholende Bewegungen, als schlüge er mit einem Schwert auf jemanden ein. »Hier wurde sie getötet. Hier ist das Blut am höchsten gespritzt. Sehen Sie!« Er zeigte auf einen blutigen Abdruck an der Wand. »Das ist ihre Hand. Hier ist sie zu Boden gegangen. Sie hat versucht sich abzustützen.« Weitere Luftschläge. »Da wird ihr Hals bereits durchtrennt gewesen sein. Sehen Sie sich den Körper an!«
Nakashima tat auch das. Und auch das tat er widerwillig. Der Körper ohne Kopf, der ausgefranste Hals, das verschmierte Cocktailkleid, der hilflose Winkel der Arme und Beine – dieser Anblick war fast noch unerträglicher als der des abgetrennten Kopfs.
»Was fällt Ihnen auf?«
Nakashima wusste, dass Schlussfolgerungen von ihm erwartet wurden, wenn auch nicht von beiden Spezialisten an seiner Seite. Kawase bestand regelmäßig darauf, dass er lediglich für die Ergebnisse der gerichtsmedizinischen Untersuchungen zuständig sei, nicht für die kriminologischen und juristischen Schlüsse, die daraus gezogen wurden. Maeda war anders. Häufig musste er sich selbst bremsen, so wie jetzt, um dem Assistant Inspector das aussprechen zu lassen, was er zu gern selbst herausposaunen würde. Er war ein Enthusiast. Maeda war nicht festangestellt bei der Polizei, hauptberuflich saß er auf seinem Lehrstuhl für Forensik an der Universität. Er war froh, wenn er mal rauskam. Nakashima sagte: »Sie ist auf den Bauch gefallen. Ein ganzes Stück vom Washlet entfernt. Ich schätze ... eineinhalb Quadranten.« Er hoffte, seine Verwendung von Begriffen, die er für forensisches Vokabular hielt, würde wie eine Selbstverständlichkeit klingen. »Ihr Kopf wird nicht durch den Raum geflogen und in der Schüssel gelandet sein. Das ist erstens physikalisch unwahrscheinlich, zweitens wäre das Gesicht uns in dem Fall nicht zugewandt.« Er schaute auf den Boden. »Der Kopf wurde dort abgetrennt, wo die Leiche liegt. Er wurde also zum Klo gebracht. Wäre es umgekehrt, wären auf dem Fußboden Schleifspuren.«
»Sehr richtig.«
»Außerdem liegt die Leiche mit dem Kopf ... mit dem Hals ... dem Stumpf ... von den Toilettenkabinen abgewandt und dem Ausgang zugewandt. Das Opfer hat dem Täter also gegenübergestanden. Ihm vermutlich in die Augen gesehen.«
»Und was bedeutet das? Wollte der Täter sie von hinten erschlagen, sie hat sich aber umgedreht, bevor er zur Tat schreiten konnte?«
Nakashima verneinte. »Das passt zu ihm.« Ihm wurde bewusst, dass er vom Täter sprach, als hätte er bereits ein psychologisches Profil erstellt. So forsch war er normalerweise nicht. Er wusste nicht, ob er seine Kollegen damit beeindrucken konnte oder sich der Lächerlichkeit preisgab. Er ließ es drauf ankommen. »Ich habe mich von Anfang an über die Kaltblütigkeit und Furchtlosigkeit des Täters gewundert. Jemanden auf diese Weise zu verstümmeln und umzubringen, ist eine Sache. Aber es an einem derart öffentlichen Ort zu tun, ist noch mal eine ganz andere Liga. Dazu passt, dass er sein Opfer direkt konfrontiert. Wahrscheinlich wollte er gesehen werden. Er wollte, dass ihr Richter das letzte ist, was die junge Frau in ihrem Leben zu sehen bekommt. Vielleicht kannte er sie sogar. Vielleicht war es etwas Persönliches. Eifersucht. Rache.«
Kawase schaltete sich ein. »Wenn Sie ihn so gut kennen, wo ist er dann jetzt?« Das war nicht die Art von Frage, die er für gewöhnlich stellte. Er wollte ihn zurechtweisen.
Nakashima überging die Spitze. »Das ist die entscheidende Frage. Erst muss er sich unbehelligt Zutritt verschaffen, dies ist schließlich nicht die Herrentoilette. Dann darf er hier drinnen keinen Tumult auslösen. Und er muss sich drauf verlassen, dass während der Tat niemand hereinplatzt. Dass er hier reinkommt und seine Anwesenheit keinen Skandal auslöst, ist einigermaßen vorstellbar. Im Club war es zur Tatzeit dunkel, es war Hochbetrieb und, nun ja, man weiß ja, dass es hier moralisch nicht immer nach dem gesellschaftlichen Konsens zugeht. Aber wie hat er es bewerkstelligt, dass er während der Tat ungestört bleibt? Und wie ist er entkommen? Unübersehbar mit Blut verschmiert? Womöglich hat er Überkleidung getragen. Wie wir jetzt gerade. Einen Moment.« Er nahm sein Mobiltelefon und wählte eine Kurzwahlnummer. Ins Telefon sagte er nach kurzer Begrüßung: »Bitte stellen Sie den Inhalt sämtlicher Müllbehälter zwischen dem Crystal Bar Room und den Haltestellen der wichtigsten öffentlichen Verkehrsmittel sicher. Ja, jetzt gleich. Bevor der Müll abgeholt wird.« Er beendete das Gespräch.
Maeda nickte anerkennend.
Nakashima fuhr fort: »Vielleicht hat er Überkleidung getragen, die er auf der Flucht losgeworden ist. Eine andere offene Frage: Wie hat er das Schwert herein- und wieder hinausbekommen?«

Eine gute Frage. Vielleicht bringt ja der nächste und leider auch schon letzte Teil der Leseproben ein wenig mehr Licht in die Sache, bevor der gesamte Fall endlich als Buch erscheint.

Fazit!


Hier gibt es noch ein paar Daten:

Roppongi Ripper - Japan Krimi

Autor: Andreas Neuenkirchen
ISBN: 978-3-943176-87-2
Verlag: CONBOOK Verlag

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