Inhalt
Wer ist Taiji?
Den Meisten ist Taiji nur als der erste Bassist von X Japan bekannt – wenn überhaupt. Er galt als der Rowdy, der rebellische Cowboy, der auf der Bühne ein paar beeindruckende Bass-Soli hinlegte und eines Tages plötzlich verschwunden war. Doch mehr wissen viele über ihn nicht. Weder über seinen Einfluss bei X noch über seinen späteren Werdegang.
Mit diesem Special soll auch auf die Seiten Taiji's aufmerksam gemacht werden, die weniger bekannt sind. Denn neben seinem unglücklichen Talent, sich des Öfteren in Schwierigkeiten zu begeben, besaß er auch eine enorme Kreativität im musikalischen sowie künstlerischen Bereich. Wir wollen hinter die Fassade des harten Draufgängers schauen und in Erfahrung bringen, was ihn im Laufe seines Lebens bewegt und geprägt hat, womit er zu kämpfen hatte und wie er zu dem begnadeten Bassist wurde, der er bis zum Schluss war.
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Unschuldige Kindheitstage
Taiji wurde an einem heißen 12. Juli im Jahre 1966 als zweiter Sohn der Sawada-Familie in Ichigawa-City, Präfektur Chiba, geboren. Schon als kleines Kind spielte er am liebsten draußen und war am glücklichsten, wenn er seine Freunde um sich hatte. Bereits in seinen Kindergarten-Tagen entwickelte sich in dem noch jungen Taiji ein auffälliger Gerechtigkeitssinn. Dies führte unter anderem dazu, dass er schon in so jungen Jahren nicht selten in Raufereien verwickelt war; allerdings waren es keine dieser Kämpfe, in denen es um bloße Zerstörung ging. Seine Freunde wählten ihn daraufhin zu ihrem Anführer und nannten ihn „Kamen Rider“. („Kamen Rider“ ist eine Anime-Serie aus den Siebzigern, in welcher es um den Helden Kamen Rider geht, der sich im Alleingang einer terroristischen und manipulativen Organisation widersetzt und Selbige bekämpft.)
Etwas, das sich ebenfalls frühzeitig im Bewusstsein von Tai-chan, wie er damals oft genannt wurde, entwickelte, war das Interesse an der Kochkultur. In seiner Grundschulzeit interessierte er sich für nichts anderes als für Essen und vor allem dessen Herstellung. So bereitete er Fleischpasteten, Pilaw, Spaghetti und andere Speisen zu und verkaufte in der Schule selbstgemachte Essenskarten für 50 Yen das Stück. Damals dachte er, 50 Yen seien eine Menge Geld – doch seine Essenskarten waren jedes Mal ausverkauft, sodass er manchmal sogar noch eine zweite Ladung Karten für umsonst verteilte. Am Wochenende war das Haus der Sawadas dann stets der Treffpunkt für Taiji's Freunde, die sich mit ihren Karten ein Gericht aussuchen durften und sich von ihm bewirten ließen.
Doch wie bereits erwähnt, war Taiji nicht das einzige Kind der Familie: Er hatte sowohl einen großen Bruder als auch eine kleine Schwester. Zu beiden hatte er ein äußerst unterschiedliches Verhältnis: Sein Bruder bemühte sich stets um gute Schulnoten und verbrachte viel Zeit mit Lernen. Er war die sogenannte 'Stereoausgabe eines großen Bruders' und so vollkommen anders als er selbst. Doch konnte Taiji darin auch durchaus etwas Positives sehen, denn aufgrund der vorbildhaften Lebensweise des ältesten Sohnes erlaubte Taiji sich selbst, als Zweitgeborenem, eine gewisse Narrenfreiheit was die Verantwortung der Familie betraf.
Auf der anderen Seite gab es seine kleine Schwester Masayo. Sie war für Taiji ein wahrer Freund und je älter er wurde, desto größer wurde sein Drang sie zu beschützen. Dieses Gefühl ging so weit, dass er, wenn Masayo spät Abends vom Spielen nach Hause kam, sie oftmals wesentlich mehr ausschimpfte als es nötig gewesen wäre. In diesem Punkt verhielt er sich wie ein Vater, der Angst um seine einzige Tochter hatte. Aus diesem Gefühl heraus entwickelte sich im Laufe der Zeit ein allgemein großer Beschützerinstinkt in ihm: Wann immer er eine Person sah, die schwächer war als er selbst oder die unterdrückt wurde, verspürte er den Drang ihr zu helfen und sie zu beschützen.
Taiji's erste aktive Berührung mit Musik erlebte er, als er in der zweiten Klasse war. Zu diesem Zeitpunkt beobachtete er oftmals seinen Vater, wenn dieser zu Hause die Gitarre spielte. Eines Tages traute Taiji sich, es ein Mal selbst auf dem Instrument auszuprobieren – heimlich natürlich! Und bei nur diesem einen Mal blieb es auch nicht – es waren kaum drei Monate vergangen, da konnte er auf der Gitarre spielen. Anfänglich coverte er Gitarrenparts seiner ersten beiden Lieblingsbands – von Queen und den Beatles. Später auf der High School bekam er eine elektrische Gitarre, mit der er sich dann auch an Songs von Rainbow, Motörhead, Kiss und Loudness wagte. Und ehe er sich versah, war es auch schon um Taiji geschehen: Er hatte sich unaufhaltsam in die Musik verliebt und sich ihr bedingungslos hingegeben.
Erste Banderfahrungen
Die neuentdeckte Musik nahm den jungen Taiji immer mehr ein und sein Interesse an der Schule schwand zunehmend. Dies führte dazu, dass er die High School schließlich abbrach und stattdessen als Gitarrist seine erste Band Trash gründete. Das war im Jahre 1982. Aus dem kleinen Jungen, der einst gerne kochte, mauserte sich ein Rebell, der es ernst meinte. Und so riss er mit 17 Jahren von zu Hause aus, um sich voll und ganz dem harschen Leben als Rockmusiker hinzugeben. Mit der Zeit erlernte er auch das Bassspielen und stieg '84, erstmals als Bassist, bei der Band Dementia ein. Um diesen Zeitraum herum verwendete er auch zum ersten und einzigen Mal in seiner Karriere einen sogenannten Bühnennamen für seine Person: Ray.
Es war im Kagurazaka Explosion Livehouse, als Taiji das erste Mal auf hide traf. hide war zum damaligen Zeitpunkt Leader und Gitarrist der aufstrebenden Rockband Yokosuka Saver Tiger und Taiji's Bestreben war es, mit seiner Band auf der selben Bühne zu spielen wie Saver Tiger. Denn er bewunderte die Ausstrahlung, die diese Band bei ihren Auftritten hatte und nach einigen Gesprächen mit dem Manager des Livehouses sollte dieser Traum in Erfüllung gehen.
Einer der ersten Sätze, die hide zu Taiji gesagt haben soll, war ein Kompliment zu seiner Frisur. Wie viele junge Rockbands, die Mitte der Achtziger versuchten in der japanischen Indie-Musik-Szene Fuß zu fassen, hatte auch Taiji seine lang gewachsenen Haare geblichen und sie standen ihm in alle Himmelsrichtungen vom Kopf ab.
Taiji war nach dem gemeinsamen Auftritt von Dementia und Saver Tiger völlig überwältigt und obwohl er sich anschließend noch mit hide unterhielt und er den eigensinnigen Gitarristen sympathisch fand, tauschten sie weder Adressen noch Telefonnummern aus und der anfängliche Kontakt sollte zunächst erst mal im Sande verlaufen.
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Ein Jahr später wechselte Taiji zu der Band Prowler, in der er sich jedoch nicht lange aufhielt. Gegen Jahresende entdeckte er, mehr durch Zufall, in der Musikzeitschrift Rockin'f einen Artikel über eine junge Rockband, die sich schlicht „X“ nannte. Kurz darauf erhielt er einen Telefonanruf von ihrem Leader Yoshiki. Dieser wollte Taiji in seine Band holen. X bestand zu damaligen Zeiten, neben Yoshiki als Drummer, aus seinem besten und langjährigsten Freund Toshi, der den Gesangspart übernahm, sowie dem Bassisten Hikaru und dem Gitarristen Shou. Nach kurzer Überlegung und dem Vorschlag eines möglichen Line-up-Wechsels nahm Taiji das Angebot an. Allerdings fielen Hikaru und Shou dadurch weg und er selbst übernahm sowohl Bass als auch Gitarre. Abgesehen vom Line-Up der Band änderten sich aber auch einige Wohn- und Lebensverhältnisse: Taiji hatte, wie die meisten jungen Rockmusiker aus dieser Zeit, nur äußerst geringe finanzielle Möglichkeiten und aktuell kein Dach über dem Kopf. Yoshiki nahm ihn somit in seiner Wohnung auf. Wie in vielen neu gegründeten Wohngemeinschaften kam es erwartungsgemäß auch zwischen Yoshiki und Taiji zu unterschiedlichen Ansichten des Zusammenlebens: So soll sich Yoshiki beispielsweise regelmäßig darüber aufgeregt haben, dass Taiji es einfach nicht lernte, die Zahnpastatube nach Gebrauch auch wieder zu verschließen.
Zu diesem Zeitpunkt galt das einzige Selbstvertrauen, welches Taiji in sich besaß, seiner Fähigkeit, Songs zu arrangieren. Und dennoch kamen in ihm ziemlich schnell Zweifel auf, ob X langfristig in der Lage wären, in dieser Formation zu spielen.
Bald darauf stieß Pata hinzu. Dieser hatte zuvor in der Band Judy die Gitarrensaiten gezupft. Mit der neuen und vielversprechenden Verstärkung an seiner Seite erhoffte sich Taiji etwas Entlastung, doch die Hoffnung sollte nicht lange währen. Es kam immer noch oft genug vor, dass eine zweite Gitarre benötigt wurde, um den Songs den nötigen Umfang zu verabreichen. Taiji spürte, dass er dieser Doppelrolle nicht gewachsen war und so verließ er X bald schon wieder. Um sich von den Enttäuschungen zu erholen, widmete er sich erst einmal der Band Fatima (nicht zu verwechseln mit der späteren Visual Kei-Band gleichen Namens) und kurz darauf der kurzlebigen Formation Dead Wire.
X - Indie-Zeiten
In der Zwischenzeit hatte sich ein zweiter Gitarrist zu X gesellt: Es war hide, der sowohl seine Band Yokosuka Saver Tiger verlassen als auch die Möglichkeit, als gelernter Make Up-Artist Karriere zu machen, ausgeschlagen hatte, um bei Yoshiki's Band mitzumischen. X genossen derweilen einen stetig wachsenden Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad in der japanischen Indie-Szene und auf der Bühne überzeugten sie das Publikum mit unbändiger Energie. Mit dieser neuen Möglichkeit von zwei Gitarristen, wagte Taiji einen erneuten Versuch und trat X im Jahre '87 abermals bei. Dies sollte nun der Anfang von etwas wirklich Großem werden.
X, bestehend aus Yoshiki, Toshi, hide, Pata und Taiji, besaß den Willen und den Mut, der knallharten Musikindustrie die Zähne zu zeigen. Zur damaligen Zeit galt: Wirst du Musiker, lebst du in Armut. Zudem war die japanische Rock-Szene um 1987 herum noch verhältnismäßig jung und, anders als in der westlichen Welt, waren wilde Lack- und Lederklamotten sowie lange, blonde Haare ein Grund zur Ausgrenzung. Doch die fünf Jungs gingen diesen Weg gemeinsam. Neben seiner allgemeinen Aufgabe als Bassist und eifriger Song-Arrangeur (hide und er saßen tagelang an den Arrangements von „Kurenai“ - einer der Songs, die später eines der Aushängeschilder für X werden sollten), besaß Taiji außerdem ein großartiges Styling-Talent. So war er für den Großteil an Kostümen seiner Kollegen in der Indie-Zeit verantwortlich. Regelmäßig ging er zur Asakusa Bridge, einem Gebiet in Tokyo, in welchem er diverses Material einkaufte und daraus fantasievolle Kostüme nähte. Manche von ihnen erinnerten sogar fast schon an Figuren aus der Anime-Serie „Gundam“. Auch für die Frisuren und Schminke seiner Kollegen war er verantwortlich. Für Toshi's aufrecht stehende Haare wurden beispielsweise zwei Flaschen Haarspray der Marke Daiei verwendet – pro Session! Das Auswaschen Selbiges dauerte jedes Mal etwas über eine Stunde. Bei Pata entschied Taiji sich für etwas Drastisches und so kam der Irokesenschnitt zu Stande.
Man sollte meinen, dass diese Aufgaben doch eher in den Bereich von hide hätten fallen müssen – immerhin besuchte er jahrelang eine Kosmetikschule. Doch hide war, neben Yoshiki, so sehr mit den organisatorischen Dingen beschäftigt, dass der Job an Taiji ging.
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Um sich die Miete für ein Aufnahmestudio leisten zu können, brauchte man Geld. Um dieses Geld zu erlangen, gingen die Jungs unterschiedlichen Tätigkeiten nach: Toshi setzte sich eine schwarze Perücke über seine blonde Mähne und arbeitete als Barkeeper, Pata fand einen Job in einer Videothek und Taiji als Putzkraft in einem Love Hotel. Toshi war derjenige, der sich fortan um die Finanzen der Band kümmerte und er erhielt auch von allen stets die vereinbarte Summe, die sie für das Studio und andere Sachen in Bezug auf X vereinbart hatten. Der Einzige, der trotz harter Arbeit, eben diesen Betrag oft nicht zahlen konnte, war Taiji. So war er gezwungen, seine Stereo-Anlage und Bücher zu verkaufen, um finanziell mit den Anderen mithalten zu können – denn so einfach wollte er sich nicht schon zu Beginn geschlagen geben!
Im August '87 erschien das Promotion-Video „Xclamation“, welches mit Hilfe einer 50köpfigen Biker-Gang in Umlauf gebracht wurde. Diese Veröffentlichung sprach sich schnell herum und sorgte in der Szene für gehöriges Aufsehen. Auf einmal galten die fünf „Punks“, die sich X nannten, als „reich“, konnten sie sich doch solch eine wirkungsvolle Promotion leisten.
Für Taiji stand nun endgültig fest, dass sie es schaffen konnten. Dass sie ihre Träume wahr werden lassen konnten. Sie waren alle fünf gute Freunde geworden und diese Konstellation fühlte sich inzwischen unbesiegbar an.
Weiter geht es mit Teil 2.
Aufmacher: Julia Kefenhörster
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