Taiji-Special Teil 2

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Bildcopyright: Taiji Sawada, X Japan

Mit den Verkaufszahlen ihres ersten Albums stellten X einen neuen Rekord in der japanischen Indie-Szene auf. Doch mit zunehmendem öffentlichen Erfolg wuchs auch die interne Schattenseite...

Inhalt

Es geht voran

Im Frühjahr 1988 erschien „Vanishing Vision“, das erste Album von X. Auf diesem ist Taiji als Songwriter am zweithäufigsten aufgelistet; Platz Eins belegte, wie erwartet, Bandleader Yoshiki. Diese rege Vertretung des Bassisten im Songwriting sollte sich auf den kommenden Alben jedoch deutlich dezimieren.
„Vanishing Vision“ verkaufte sich 15.000 Mal und stellte somit einen neuen Rekord in der Indie-Szene auf. Dieser Erfolg hatte aber natürlich auch seine Schattenseiten und diese zeigten sich in Form von Neid. Neid von anderen Bands, die es auch dahin schaffen wollten, wohin X es bis jetzt geschafft hatten. So gehörte es schon bald zur Tagesordnung, dass wenn X auf der Bildfläche auftauchten, sie von eben solchen neidvollen Konkurrenten heraus gefordert wurden, meist zu Prügeleien. Diese dauerten jedoch in der Regel nie lange an, zogen sich die Herausforderer oft genug vorzeitig wieder zurück.

Wie die meisten Indie-Bands hatten auch X ihre ersten Auftritte in sogenannten Livehouses. Das für Taiji schlimmste Konzert, das er selbst miterleben musste, fand während ihrer „Vanishing Vision-Tour“ in Niigata statt: Der Ansturm auf das Konzert war viel zu groß und es stellte sich bald schon heraus, dass gar nicht alle Fans in das Livehouse hinein passen würden. Dennoch gab die Masse nicht nach und es herrschte eine so bedrohliche Atmosphäre, in welcher man Gefahr lief zu ersticken, dass Taiji bereits ernsthaft damit rechnete, nicht mehr heil aus diesem Tumult heraus zu kommen. Es gelang ihm und den vier Anderen schließlich aber doch.
Zu dieser Zeit besaß X einen kleinen Tour-Bus, den sie liebevoll „The White Whale“ („Der weiße Wal“) nannten. Leider war dieser etwas altersschwach und so kam es mehrfach vor, dass der Motor streikte und sie das Gefährt eine ganze Strecke lang schieben mussten. So auch während ihrer ersten Tour durch Hokkaido. Kaum hatten sie die japanische Nordinsel erreicht, blieb der Bus stehen. Bis zum Livehouse, in welchem sie ihren nächsten Auftritt hatten, wurde also wieder geschoben. Nach den Auftritten sah es leider oft nicht viel anders aus. Während einer dieser Aktionen löste sich Yoshiki plötzlich aus der Gruppe, verschwand für eine Weile und kam schließlich wieder zurück – in der Hand eine CD von den Beatles.

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Wenn X auf diese Art und Weise reisten, hatten sie stets das Problem, wer wann welche Musik hören durfte. Fünf verschiedene junge Menschen bedeutete auch fünf verschiedene Musikgeschmäcker. Wenn Taiji beispielsweise Metallica hören wollte, hatte hide Lust auf seltsame Musik, die stark an Beschwörungs-Singsang erinnerte. In diese nicht immer leicht zu händelnde Situation traten nun die Beatles. Während die Sonne in Hokkaido unterging, lauschten fünf junge Japaner den Liverpooler Klängen und plötzlich waren sie sich über die Musik alle einig.

 

Major

1989 erhielten X schließlich einen Major-Vertrag bei dem Label CBS Sony und schon im Frühjahr, ziemlich genau ein Jahr nach „Vanishing Vision“, erschien das „Blue Blood“-Album. Schrieben sie mit „Vanishing Vision“ bereits gute Verkaufszahlen für Indie-Verhältnisse, sollte sich das auch jetzt, mit dem frisch errungenen Major-Status, nicht ändern: 1.000.000 Kopien gingen von „Blue Blood“ über die Verkaufstresen der Plattenläden. Eine beachtliche Stückzahl für eine Rockband in Japan, Ende der Achtziger.

 

Allerdings wurde bei diesem Album die Arbeitsaufteilung innerhalb der Band auch schon wesentlich deutlicher als noch ein Jahr zuvor: Von Taiji's Kompositionen schaffte es diesmal lediglich „Xclamation“, ein Instrumental-Stück, welches er gemeinsam mit hide geschrieben hatte, auf das Album. Selbst von Toshi war mit „Easy Fight Rambling“ nur ein Song vertreten. Abgesehen vom legendären „Celebration“, welches aus hide's Feder stammte, waren alle anderen Kompositionen von Yoshiki. Und genau dieser Punkt war es, den Taiji als ungerecht empfand. „Die Anderen schreiben auch Songs! Du solltest sie besser gerecht auf uns aufteilen. Du bist zwar der Boss, aber das bedeutet nicht, dass du keine Fehler machst.“ Mit solchen Argumenten versuchte Taiji es immer wieder, Yoshiki davon zu überzeugen, mehr Gerechtigkeit innerhalb der Band walten zu lassen. Und jedes Mal mussten sie vom Staff auseinander gebracht werden und jedes Mal sprachen Taiji und Yoshiki daraufhin eine Weile nicht mehr miteinander. Der Staff hielt für gewöhnlich zu Yoshiki und so stand Taiji mit seinen Argumenten und Ansichten alleine da.

 

Taiji liebte X und wollte nur das Beste für die Band, doch seine große Klappe, seine mangelnde Zurückhaltung und sein Verständnis von Gleichberechtigung führte nur zu stetig heranwachsenden Problemen, die nicht selten in Kämpfen endeten. Es war eine harte und anstrengende Zeit für den Bassisten und er legte sich mit so ziemlich jedem irgendwann einmal an. Auf diesen Auseinandersetzungen basierend, erhielt Taiji als einziger in der Band für eine bestimmte Zeit einen anderen Vertrag als die anderen. Es war der Vertrag, den für gewöhnlich ein Studio-Musiker erhielt. Taiji akzeptierte dies schließlich, wusste er doch eigentlich, dass seine ständigen Kämpfe ziemlich schädlich für X waren.
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Doch gab es auch ein sehr klares Kampfverhalten innerhalb des Trios Yoshiki, Taiji und hide, welches über die Jahre beständig anhielt: Wenn Taiji am Ausrasten war, war es für gewöhnlich hide, der ihn wieder zur Ruhe bringen konnte. Ebenso war es andersrum. Zudem war hide einer der wenigen Menschen, mit denen Taiji sich nicht prügeln konnte. Zwischen ihnen beiden herrschte einfach eine ganz bestimmte Bindung, die es Taiji unmöglich machte, hide ernsthaften Schaden zuzufügen. Es gab zum Beispiel einmal eine Situation, in der hide sturzbetrunken mitten in der Nacht in das Hotel hinein stürzte, in welchem X während einer Tour übernachteten. Taiji, der zu dem Zeitpunkt bereits geschlafen hatte, wurde durch einen Höllenlärm wach und sah nach, was denn da los war. In der Lobby des Hotels entdeckte er schließlich hide, der das Personal aggressiv und lautstark anpöbelte. Plötzlich sah es so aus, als würde er auf sie einschlagen wollen, doch im nächsten Moment schob er ihnen statt dessen seine Finger in die Nasen.
Taiji, der das alles beobachtete, konnte sich vor Lachen kaum noch halten, kam dem Personal schließlich aber doch noch zu Hilfe und stoppte hide, bevor dieser sich noch an anderen vergriff.
Mit Yoshiki jedoch war es etwas anderes. Für ihn benötigte es die gemeinsame Kraft von hide und Taiji, um ihn zu bremsen, wenn er einmal wütend wurde. Schafften es diese beiden nicht ihn zu besänftigen, konnte niemand anderes mehr Yoshiki noch aufhalten.

Ein Image kommt nicht von ungefähr und den Ruf als 'Bad Boy' hatte Taiji schon lange weg. Allerdings geriet er auch immer wieder in Situationen, in denen sich dieser Ruf bewahrheiten sollte. Kurz bevor X einen Fernsehpreis als beste Newcomer-Band in Empfang nehmen sollte, wurde Taiji in Polizeigewahrsam genommen und für mehrere Tage im Gefängnis eingesperrt, nachdem er bei einem Kampf einen Sachschaden verursacht hatte. Natürlich war ihm im Nachhinein stets bewusst, dass solche Aktionen zu nur noch mehr Schaden führten und er hieß seine eigenen Ausraster nicht für gut. Doch die nötige Zurückhaltung fehlte ihm ab einem bestimmten Punkt immer wieder. Er konnte sich selbst nicht bremsen.

 

Aber nicht alle Missgeschicke waren vorsätzlich geplant: Da gab es nämlich das Erlebnis bei der Osaka-jo Hall. Einen Tag vor dem Konzert in besagter Halle war Taiji in der umliegenden Gegend alleine unterwegs, als er plötzlich ungewollt durch ein Glasfenster strauchelte. Sofort wurde er ins Krankenhaus gebracht, wo eine verheerende Wunde am Arm mit 14 Stichen genäht werden musste. Anschließend bekam er noch Morphium gegen die Schmerzen, aber der Arzt hielt es für ausgeschlossen, dass Taiji in diesem Zustand schon am nächsten Tag wieder Bass spielte. Die Gefahr, dass die noch frisch genähte Wunde wieder aufbrach, war viel zu groß. Taiji aber hörte nicht auf den Rat des Arztes – er dachte nur an die vielen Fans, die auf X warteten und die er auf keinen Fall enttäuschen wollte. Also nahm er am Tag des Konzerts eine gewaltige Dosis Morphium und spielte. Und dank des Schmerzmittels erlebte er einen großartigen Auftritt. Seit diesem Erlebnis war die Osaka-jo Hall ein ganz besonderer Ort für ihn geworden.

 

Getrennte Wege

Die Aufnahmen für das dritte Studio-Album fanden in Los Angeles statt, unter der Leitung des Produzenten George Martin. Hier wurde allen Bandmitgliedern auch wieder mehr Mitspracherecht im Songwriting gegeben – selbst von Pata fand man nun ein kleines Instrumental. Im Falle von Taiji kam es zu zwei Zusammenarbeiten mit Sänger Toshi, der jeweils die Lyrics übernahm, und zwar bei den Songs „Desperate Angel“ und „Voiceless Screaming“.
„Jealousy“, wie das Album getauft wurde, erschien in Japan schließlich am 1. Juli 1991 und schaffte es bis auf Platz eins der Oricon Charts – das hatte zuvor nicht einmal „Blue Blood“ geschafft. Kurz nach der Veröffentlichung startete die „Violence in Jealousy“-Tour, deren Finale im Tokyo Dome stattfand. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es keine japanische Rockband geschafft, dort aufzutreten. X jedoch widersetzten sich dem Trend – wie schon so oft in ihrer Karriere.
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Doch so rosig die Zeiten für die Band von außen auch aussehen mochten – intern spitzte sich die Lage immer weiter zu. Taiji hatte immer noch nicht gelernt, sich und seine Meinung zurück zu halten und der Staff nahm inzwischen auch schon Abstand von dem Mitglied, welches derweil als „menschliche Bombe“ bezeichnet wurde.
Und schließlich, im Dezember '91, kam der entscheidende Tag. Yoshiki und Taiji saßen allein in einem Raum und führten ein ernsthaftes Gespräch. Innerhalb dieses Gesprächs bat Yoshiki ihn, X zu verlassen.
Taiji hatte es vermutlich schon kommen sehen. Er akzeptierte die Forderung, was blieb ihm auch anderes übrig? Als Leader war es Yoshiki's Entscheidung, wer in der Band mitmischte und wer zu gehen hatte. Und doch hoffte Taiji inständig, dass der ursprüngliche Gedanke, ihn zu feuern, nicht von Yoshiki selbst stammte. „Ich verstehe. Ich werde gehen“, lauteten Taiji's Worte und von Yoshiki kam daraufhin nur noch ein „Es tut mir Leid.“ Aber der Bassist glaubte, dass in diesen paar Worten von Yoshiki noch eine ganze Menge weitere, unausgesprochene Worte lagen.

Nun war es aber nicht so, dass Taiji Hals über Kopf aus der Band flüchtete. Er sollte noch die drei Konzerte im Tokyo Dome miterleben, die für den 5., 6. und 7. Januar 1992 angesetzt waren. Für Taiji hatte ein Countdown begonnen. Der Countdown bis zum Verlassen der Band, in die er sein ganzes Herzblut reingesteckt hatte.
Am letzten der drei Tokyo Dome-Tage half alles nichts mehr: Hatte er es die zwei Tage zuvor noch geschafft, seine Tränen zurück zu halten, flossen sie nun, am endgültig letzten Tag, unaufhaltsam. Genau wie bei Toshi, Pata, Yoshiki und hide. Am Ende des Konzerts umarmte er jeden einzelnen von ihnen. Dann war es vorbei. Als er die Bühne verließ, waren seine Gedanken bei Yoshiki. Er verachtete ihn nicht, er hegte auch keinen Hass gegen ihn. Ganz im Gegenteil: Yoshiki musste müde geworden sein von ihren ewigen Kämpfen, von der Kraft, die Taiji ihn all die Jahre über gekostet hatte. Es war ihm zu viel geworden und ab diesem Punkt schloss Yoshiki ihn aus seinem Leben und dem von X aus. So glaubte und hoffte Taiji.
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Später bekam er jedoch noch etwas zu hören, was er seinerzeit nicht mitbekommen hatte: Am Neujahrstag 1991 hatten X einen Auftritt in der Kouhouku-Show und anschließend in Meguro ein Countdown-Live. Innerhalb dieses ganzen Trubels hatte hide sich zwischenzeitlich zurückgezogen, ein Fenster geöffnet und stumm hinaus gestarrt, weinend.

 

 

Weiter geht es mit Teil 3.

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