Tattoos in Japan Teil 2: Strafe, Liebesschwur & Erkennungsmerkmal

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Die meisten von uns, die sich heute tätowieren lassen, tun dies aus ästhetischen Gründen. Abgesehen vom möglichen Schmerz verbinden wir eher etwas Positives mit unseren individuell gewählten Motiven. Doch in Japan wurden Tattoos in der Vergangenheit oftmals für ganz andere Zwecke eingesetzt.

Inhalt

„Du hast zu Rebellion und Umsturz des Staates aufgerufen. Dieses Vergehen kann mit dem Tod bestraft werden. Ich werde dich jedoch großzügig begnadigen und dir die Todesstrafe erlassen; stattdessen wirst du zur Sühne tätowiert.“

Das waren am 17. Tag des vierten Monats im Jahre 400 die Worte des japanischen Kaisers gegenüber Hamako, einem Muraji des Azumi-Clans. Hamako erhielt daraufhin eine Tätowierung im Gesicht, nahe des Auges. Später wurden solche Bestrafungen unter dem Namen „Azumi-Auge“ bekannt.

Hamakos Strafe wurde im Nihonshoki, der Chronik Japans in einzelnen Schriften, festgehalten und gilt als die erste dokumentierte Bestrafung durch Tätowierung in Japan. In einer Gesellschaft, in der dem Gruppenleben sehr viel Gewicht zugesprochen wird, wurde solch eine sichtbare Strafe wie ein Tattoo natürlich dementsprechend negativ gewertet. Die Integration in die allgemeine Gesellschaft schien damit zunächst einmal unmöglich.
Das Motiv eines Straftattoos unterschied sich jedoch von Region zu Region und viele Gefängnisse hatten sogar ihre eigenen Zeichen. In Kyoto waren es zum Beispiel zwei schwarze Streifen auf dem Oberarm, anderswo wurden diese Streifen hingegen auf dem Unterarm sichtbar gemacht. Etwa um 1670 herum wurden im heutigen Tamba, in der Präfektur Hyogo, den Verurteilten das Kanji für „aku“ (dt. „Teufel“, „schlecht“ oder „minderwertig“) auf die Stirn tätowiert. 1743 waren es dann zwei schwarze Streifen direkt über dem linken Ellenbogen. Sollte der Verurteilte später einer weiteren Straftat beschuldigt werden, folgte ein dritter Streifen.
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Bis 1879 wurden unverbesserlichen Mitgliedern des britischen Militärs das Kürzel „BC“ für „bad character“ (dt. „schlechter Charakter“) auf dem Arm vermerkt. In der ehemaligen Provinz Chikuzen, heute ein Teil der Präfektur Fukuoka auf der Kyushu-Insel, erhielt ein Verurteilter für seine erste Straftat eine horizontale Linie auf der Stirn. Für das zweite Vergehen folgte eine zweite Linie, welche die horizontale schnitt. Mit der dritten Straftat wurde dann schließlich durch eine weitere Linie das Zeichen für „inu“ („Hund“) vollendet. Ebenfalls auf Kyushu, in der ehemaligen Provinz Satsuma, die heute einen Teil der Präfektur Kagoshima darstellt, war die Markierung ein Kreis, der nahe der linken Schulter tätowiert wurde. In Nara, im Süden der Hauptinsel Honshu, wurde mit zwei Linien der Bizeps des rechten Arms eingekreist.
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Zwischen 1751 – 1800 gab es einen regelrechten Boom, was großflächige und dekorative Tattoo-Motive („Irezumi“) anbelangt: Grund hierfür war der chinesische Roman „Shui-Hu-Chuan“ (im Japanischen „Suikoden“, im Deutschen „Die Räuber vom Liang-Schan-Moor“), der von einer aufständischen Rebellenarmee handelt, die gegen die Korruption des Staates vorgeht. Viele der beschriebenen Charaktere hatten großflächige Verzierungen auf ihrer Haut in Form von Drachen, Tigern, Blumen oder sonstigen eindrucksvollen Motiven. Da diese Geschichte zur damaligen Zeit eine unheimliche Beliebtheit genoss und viele Japaner sich daraufhin ähnliche Motive tätowieren ließen, nutzte so mancher Kriminelle diese Chance und ließ sich sein jeweiliges Erkennungszeichen durch ein Irezumi „unsichtbar“ machen. Wahrscheinlich entstand daraus die spätere Assoziation innerhalb und auch außerhalb Japans durch Irezumi mit der kriminellen Organisation Yakuza.

Jedoch waren es nicht nur Kriminelle, die ein Tattoo vorweisen konnten. Auch in der gesellschaftlichen Unterschicht waren diese zu finden. Ein Beispiel dafür ist der Außenseiter-Clan „Hinin“, der mit Kriminellen, Scharfrichtern und Totengräbern zusammen arbeitete. Auch die Dorfbewohner, bekannt als „burakumin“ oder „eta“, waren oftmals tätowiert, wenn meist auch nur an den Armen. Da sie unter anderem Tätigkeiten wie Schlachten und Gerben ausführten und diese Arbeit allgemein als unbeliebt galt, dienten ihre Tätowierungen nicht als Strafe, sondern als Identifikationsmerkmal für die übrige Bevölkerung.

Bei Prostituierten konnte man ebenfalls auf Tätowierungen stoßen. Diese bestanden oft aus dem Namen ihres Lieblingskunden und galten als eine Art Treuebeweis. Manche fügten noch das Kanji für „inochi“ („Leben“) hinzu, um zu symbolisieren, dass sie ihren Liebhaber mehr als das eigene Leben liebten oder sie ergänzten den Namen mit der jeweiligen Anzahl von Punkten des Alters ihres Angebeteten. Dabei bestand für manch eine Prostituierte der besondere Reiz und die persönliche Verbundenheit darin, dieses Ritual heimlich, ohne Wissen des Liebsten, durchzuführen. Andere wiederum ließen sich direkt von ihrem Liebhaber den Namen in die Haut eingravieren und manches Paar tätowierte sich gegenseitig mit ganzen Liebesschwüren.
Diese Liebesbeweise bei Frauen der unteren Gesellschaftsschicht entwickelten sich schätzungsweise im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts und wurden erstmals in den Vergnügungsvierteln Kyotos und Osakas entdeckt.
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Aber neben Verbrechern, Unterschichtarbeitern und Prostituierten gab es noch eine Gruppe, die bekannt für ihre Tattoos waren: Feuerwehrmänner. Nun könnte man sich fragen, weshalb gerade Feuerwehrmänner, die doch einen sehr wichtigen und ehrenwerten Beruf ausführen, zu einer Randgruppe von Leuten gezählt wurden, die als markierte, gesellschaftliche Außenseiter bekannt waren. Der Hintergrund ist, dass Feuerwehrleute als arbeitsunfähige Raufbolde galten, die, um nicht alleine dazustehen, Gangs gebildet hatten. Die Regierung bemühte sich um das Verbergen dieser nicht gerade idealistischen Lebensweise und setzte sie daher ganz offiziell als Bekämpfer von Bränden ein. Somit war es ihnen erlaubt, Irezumi-Tattoos zu tragen, während eben diese zeitweilig von der Regierung für das übrige Volk verboten wurden. Die Tattoo-Motive der Feuerwehrmänner, oftmals Drachen oder Koi-Karpfen, galten zum einen als Talisman zum Schutz während ihrer Einsätze und symbolisierten zum anderen die Stärke und Tapferkeit, die der Träger zum Ausführen seines Berufs zweifelsohne benötigte.

Fazit!

Weiter geht es mit Teil 3.

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