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animePRO: Du betreust in der Buchhandlung Rombach die Manga- und Comicabteilung. Wann und wie fanden Manga damals den Weg in die Regale?
Heiko Kaminski: Als ich die Comicabteilung im Frühjahr 2002 übernnahm, gab es schon einen kleinen Mangabereich, den mein Vorgänger aufgebaut hatte. Der dominierende Titel war "Dragon Ball", bei dem wir von jeder lieferbaren Nummer zweistellige Verkaufszahlen pro Monat verzeichnen konnten. Das hat seitdem kein Manga mehr geschafft! Je erfolgreicher "Dragon Ball", aber auch Serien wie "Sailor Moon" oder "Ranma ½", waren, desto mehr Serien wurden von den Verlagen auf den Markt gebracht und entsprechend mehr Platz benötigten die Manga im Regal. Da der Markt für frankobeligische Comics damals am Boden lag, war es sehr erfreulich, dass die Lücke mit den Mangas gefüllt werden konnte.
animePRO: Wie hast Du die erste Zeit mit den japanischen Comics erlebt? Hast Du eine Zukunft für Manga im deutschen Buchhandel gesehen?
Heiko Kaminski: Der erste Gedanke zu den Manga war, dass es sich lediglich um einen kurzen Boom handeln und sich bald wieder beruhigen würde. Von wegen. Es wurde ständig mehr und der Ansturm auf die Manga war für alle in der Buchhandlung überraschend.
Das herausstechendste Merkmal war dabei, dass weit über die Hälfte der Leser weiblich und zwischen 12 und 15/16 Jahren war. Damit gab es plötzlich eine neue Zielgruppe in der Comicabteilung, denn die frankobelgischen oder generell westlichen Comics wurden und werden zu weit über 90 % von Jungs und Männern gelesen und gekauft.
Zudem haben Manga etwas geschafft, was den westlichen Comics kaum gelungen ist: Die Leser und vor allem die Leserinnen haben das Bedürfnis, selbst kreativ zu werden und schreiben und zeichnen ihre eigenen Geschichten. Es liegt nahe, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass viele Manga auch von Frauen geschrieben werden und diese somit als Vorbilder dienen. Vergleicht man die Mangaszene mit der westlichen Comicszene, so ist festzustellen, dass letztere in allen Bereichen sehr männerdominiert ist.
animePRO: Wieviel Serien nimmst Du durchschnittlich pro Jahr neu in Dein Sortiment auf?
Heiko Kaminski: Von den großen Verlagen Carlsen, EMA und Tokyopop werden grundsätzlich alle neuen Serien ins Sortiment genommen. Je nachdem, wie mich eine Serie in der Vorschau des Verlages überzeugt, wird die Bestellmenge für die erste Ausgabe bestimmt. Bei Planet Manga sind es nur ausgewählte Neuheiten, da das Programm für unser Haus zuweilen zu gewalttätig und erotisch ist.
Der große Mangaausstoß der Verlage ist zwar mittlerweile vorbei, aber geblieben ist die Tatsache, dass sich Serien nicht mehr so lange halten wie noch vor einigen Jahren und schneller wieder aus den Regalen verschwinden. Longseller, die ihren Platz über Jahre im Regal behaupten, sind im Mangabereich leider die Ausnahme, denn die nächste Neuheit wartet ja schon.
animePRO: Gibt es Genre, die sich allgemein besser verkaufen als andere?
Heiko Kaminski: Shonen Ai und Romance laufen bei uns am Besten. Also Geschichten, die eher von Mädchen gelesen werden. Die typischen Jungsmanga laufen dagegen meist schlecht, nur im Action- und Humorbereich gibt es zwei große Ausnahmen: "Naruto" und "One Piece".
animePRO: In Deutschland stößt man oft auf das Vorurteil, Manga und Comics seien etwas für Kinder. Wie stehst Du dazu?
Heiko Kaminski: Hier handelt es sich meines Erachtens um eine typisch deutsche Haltung: Das Medium Comic/Manga wird ohne Blick auf den Inhalt verteufelt. Keinem würde es einfallen, Romane generell für etwas Schlechtes oder Niveauloses zu halten. Aber bei den Comics/Manga zählt nur, dass sie ihre Geschichten zu großen Teilen mit Bildern erzählen und somit nur was für Leseunwillige und Analphabeten sein sollen. Der Themenreichtum der Comics/Manga wird dabei gänzlich ignoriert.
Ich bin jedoch zuversichtlich, dass sich diese Haltung langsam aber sicher ändern wird. Begründet wird diese Zuversicht mit dem wachsenden Erfolg der Grapic Novels in den vergangenen anderthalb bis zwei Jahren. Es gibt nahezu keine namhafte deutsche Zeitung, die nicht regelmäßig in großen Artikeln über das Genre an sich oder über einzelne Grapic Novels berichtet. Manga spielen hierbei zwar noch keine große Rolle, aber über Jiro Taniguchi z.B. wird bereits öfter berichtet, so dass sich wohl auch hier noch Einiges tun wird. Und es ist schon ein tolles Gefühl, wenn plötzlich ein 50- oder 60-jähriger Zeit- oder Süddeutsche-Leser/-Leserin mit einem Zeitungsausschnitt vor einem steht und nach einem bestimmten Comic fragt und schließlich kauft.
So wird es kommen, dass die Comics den Weg aus dem „Ghetto“ der Szene über das Feuilleton in den Mainstream finden.
Ob man das am Ende immer noch gut findet, ist wieder eine andere Frage.
animePRO: In einer Buchhandlung erwartet man zuallererst Belletristik und Fachliteratur. Die Buchhandlung Rombach pflegt eine relativ große Auswahl an Manga und Comics. Wie kam es zum Ausbau einer solchen Abteilung?
Heiko Kaminski: Diese Frage kann ich leider nicht beantworten, ohne dass es nach Eigenlob klingt.
Aus Gesprächen mit Verlagsvertretern weiß ich, dass in anderen Buchhandlungen der Comicbereich häufig von jemandem betreut wird, der keinerlei Bezug zum Medium hat und entsprechend lieblos werden die Comics/Manga auch behandelt.
Da ich Comics sehr gerne lese, habe ich mich auch entsprechend für sie engagiert und nach und nach dafür gesorgt, dass ihnen mehr und mehr Platz eingeräumt wurde. Das lässt sich in einem Wirtschaftsunternehmen wie einer Buchhandlung auf Dauer allerdings nur mit den entsprechenden Verkaufszahlen rechtfertigen. Hinzu kommt, dass wir in unserer Buchhandlung eine Geschäftsleitung und Marketingabteilung haben, die für neue Ideen aufgeschlossen sind. So hatten wir bereits mehrere sehr erfolgreiche Signierstunden mit Zeichnern, Mangazeichenwettbewerbe und Comic/Manga-Schaufenster. Dies hilft natürlich, den Kunden (jung und alt) zu zeigen, dass wir das Genre ernst nehmen und entsprechend werden wir als Anlaufstelle für Comic/Manga-Wünsche wahrgenommen.
animePRO: Bekommt man selbst einen besonderen Bezug zu Manga, wenn man eine solche Warengruppe betreut?
Heiko Kaminski: Einen besonderen Bezug habe ich wohl nicht, aber anders als manch ein westlich geprägter Comicleser kann ich es respektieren, dass junge und sehr junge Leser/Leserinnen mit den Manga ihre Form der Bildergeschichte gefunden haben.
Außerdem haben die Manga mittlerweile westliche Comicautoren und Zeichner beeinflusst, so dass solch großartige Werke wie "L'autoroute du soleil" des französischen Künstlers Baru entstanden sind. Eine derartig fruchtbare Bereicherung kann ich nur gutheißen.
animePRO: Hast Du einen persönlichen Favoriten unter den Manga?
Heiko Kaminski: Jiro Taniguchi gefällt mir sehr gut. Das liegt zum einen natürlich an seinem Zeichenstil, der eine große Ähnlichkeit zu den vertrauten westlichen Comics hat, zum anderen an seiner Themenwahl. Anders als die große Mehrzahl der übrigen Manga, die wir bei uns verkaufen, richtet er sich meines Erachtens eher an ein etwas älteres Publikum. Mit Schul- und Pubertätsgeschichten, japanischer Mythologie, Samurai, Horror, Action etc. kann ich kaum etwas anfangen. Das gilt allerdings auch für die westlichen Comics.
animePRO: Nachdem sich der Boom um die Manga ein wenig gelegt hat, wie schätzt Du die Entwicklung für die Zukunft ein?
Heiko Kaminski: Ich gehe davon aus, dass Manga bei einem etwas konzentrierteren Angebot weiterhin sehr beliebt bleiben. Ob es noch mal zu Zuwachsraten wie vor einigen Jahren kommt, hängt natürlich davon ab, welche Serien die Verlage für Deutschland einkaufen und ob es gelingt, mehr ältere Leser an die Manga heranzuführen.
Fazit!
Homepage: http://www.bookworld.de
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