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animePRO: Hallo ihr beiden! Danke, dass ihr für das Interview Zeit gefunden habt! Marie, Gudio, ich würde euch zu Beginn bitten, euch unseren Lesern erst mal vorzustellen.
Marie Sann: Ich bin Marie, bin 19 Jahre alt und mache gerade mein Abitur – ein halbes Jahr muss ich die Schule noch aushalten, dann hab ich sie endlich hinter mir!
Guido Neukamm: Ich heiße Guido, bin 42 Jahre alt und bin seit 1992 professioneller Comiczeichner. Ich und Marie, wir kommen beide aus Berlin und sind bekanntlich Mangazeichner bei Tokyopop.
animePRO: Wie schaffst du es, neben deinem Abi überhaupt noch zu zeichnen, Marie?
Marie Sann: Es ist schwierig (lacht) und wirklich sehr anstrengend. Natürlich litt die Schule ein bisschen unter dem Zeichnen, aber leider auch umgekehrt, was mich persönlich schon sehr traurig macht. Daher freue ich mich sehr auf die Zeit nach der Schule, wenn ich mich endlich nur noch auf das Mangazeichnen konzentrieren kann.
animePRO: Wie gefiel euch die Leipziger Buchmesse bisher?
Marie Sann: Hm... naja es sind weniger Leute da, als ich angenommen hatte. Morgen am Samstag wird natürlich wieder die Hölle los sein – aber heute...
Guido Neukamm: Also ich habe mich heute auch schon von Herzen gelangweilt. Es ist deutlich weniger los als im letzten Jahr und es ist schon ein bisschen frustrierend, wenn keiner zur Signierstunde kommt – aber bis jetzt erging es den anderen Zeichnern da nicht anders; eine Ausnahme bilden natürlich die Superstars (Anm: Arina Tanemura und Kaori Yuki waren auf der Buchmesse zu Gast). Aber ich habe sogar mitbekommen, dass sich einige Besucher langweilten.
animePRO: Morgen und am Sonntag wird es sicher wieder voller werden – aber nun zu euch! Ihr habt bereits in Tokyopops „Manga Fieber" (Band 1) zusammen gearbeitet. Wie habt ihr euch eigentlich kennen gelernt und wie kam es zu eurer Zusammenarbeit?
Guido Neukamm: Wir haben bei einer Art-Vorführung bei „Relax" teilgenommen, einem Jugendmagazin im RWD, in deren Rahmen verschiedene Comiczeichner interviewt wurden. Da haben wir uns kennen gelernt und kamen auch gleich gut miteinander klar – und so haben wir beschlossen, mal zusammen ein Projekt zu machen.
Marie Sann: Genau. Wir haben damals gesehen, was der andere so macht und wurden aufeinander neugierig...
animePRO: Wie denkt ihr heute über euren „Manga Fieber" Beitrag, nachdem mittlerweile einige Zeit verstrichen ist?
Marie Sann: Naja, so lange ist das ja noch gar nicht her... ein Jahr eben.
Guido Neukamm: Also ich finde unseren Beitrag nach wie vor sehr gut. Da Marie sich zeichentechnisch aber sehr von Mal zu Mal verbessert, ist sie nicht mehr so begeistert von ihren damaligen Zeichnungen (beide lachen), obwohl die nach wie vor gut sind.
Marie Sann: Natürlich gefallen mir die Zeichnungen nicht mehr so. Der Manga war die erste Geschichte, die ich je gemacht habe und ich musste erst lernen, wie man an so etwas rangeht. Aber alles, was ich dadurch gelernt habe, konnte ich jetzt in „Sketchbook Berlin" umsetzen.
animePRO: Der zweite Band von „Manga Fieber" ist ja vor kurzem erschienen. Habt ihr schon in den Band hineingesehen und euch eine Meinung bilden können?
Marie Sann: So intensiv hab ich mich damit noch nicht auseinandersetzen können, aber ich habe schon in den Band hineingesehen und die Zeichnungen gefallen mir bisher sehr, da sie sich sehr voneinander unterscheiden. Ich freue mich darauf, die Leute endlich mal persönlich kennen zu lernen, das finde ich sehr spannend. Ich freue mich auch immer über neue deutsche Zeichner. Einen Favoriten habe ich aber nicht; aber da die Beiträge alle so unterschiedlich sind, finde ich es ohnehin unsinnig, sich auf einen festzulegen.
Guido Neukamm: Ich finde die Zeichnungen auch sehr interessant, aber ich habe bisher erst eine der neuen Zeichnerinnen kennen gelernt, die anderen kenne ich noch gar nicht.
animePRO: Guido, bevor du Manga-ka geworden bist, hast du unter anderem für das „Mad Magazine" gezeichnet. Was hat dich da auf einmal gereizt, Manga zu zeichnen?
Guido Neukamm: Das stimmt so nicht ganz: ich zeichne einerseits immer noch für „Mad" und meine Zeichnungen sind außerdem nicht in unserem Manga „Sketchbook Berlin" zu sehen; Marie hat es vorwiegend gezeichnet.
Aber für Manga interessiere ich mich immer sehr lange; um genau zu sein seit der ersten „Mangawelle" zwischen1989 und 1992 und sehe meinen eigenen Zeichenstil auch durchaus von dieser Welle beeinflusst. Meine Zeichnungen sind aber nicht als solches in „Sketchbook Berlin" zu sehen. Bei den Layouts arbeite ich zwar sehr viel mit, aber wie die endgültige Zeichnung aussieht, das bestimmt Marie.
animePRO: Wie schaut dann die Arbeitsteilung bei euch aus? Wer macht was?
Guido Neukamm: Das läuft so: zuerst kommt Marie mit ganz vielen Ideen an, die wir dann gemeinsam absprechen. Wenn wir dann meinen, dass sich eine Idee gut für eine Mangastory eignen könnte, dann baue ich einen daraus Plot zusammen. Die fertige Story muss dann von Tokyopop abgesegnet werden, bevor wir anfangen können zu zeichnen. Wenn wir das Okay bekommen haben, machen wir einen Plan, wie die Gliederung der Geschichte aussehen soll. Dann zeichnen wir zusammen die Layouts, während wir uns die ganze Zeit unterhalten und über die Story nachgrübeln.
Marie Sann: Genau so lauft das, da kann ich gar nichts mehr dazufügen.
animePRO: Dann habt ihr eine sehr streng geteilte Arbeitsweise?
Guido Neukamm: Nein, so ist das auch nicht. Unsere gesamte Arbeitsweise ist sehr gemeinschaftlich. Es ist nicht so, dass ich alleine die Texte und die Story schreibe und Marie ausschließlich die Zeichnungen macht. Wir wechseln uns dabei schon ein bisschen ab, aber offiziell bin ich der Autor und Marie ist die Zeichnerin, obwohl sich unsere Arbeit teilweise vermischt.
animePRO: Wer ist denn euer Lieblingscharakter aus „Sketchbook Berlin"?
Guido Neukamm: Meiner ist, glaube ich, Tatjana, weil sie eine Figur mit zwei verschiedenen Seiten ist. Sie ist nicht nur eine „gute Seele" und Freundin, sondern benimmt sich auch ganz schön daneben. Sie braucht eine Weile, um sich wieder fassen und muss sich überlegen, was ihr wichtiger ist: neuer Freund oder beste Freundin...
Marie Sann: Ich glaube, ich kann mich da gar nicht festlegen, weil alle Figuren so unterschiedlich sind. Jeder hat seine Macken, aber auch seine liebenswerten Seiten.
animePRO: Wollt ihr euch nach „Sketchbook Berlin" ein neues Projekt vornehmen?
Guido Neukamm: Auf jeden Fall!
Marie Sann: Wir würden als nächstes gerne etwas Längeres machen. „Sketchbook Berlin" war für uns ein Versuchsprojekt, ob unsere Zusammenarbeit auch über eine längere Zeit gut funktioniert. Und wir sind sehr zufrieden mit unserer Zusammenarbeit und auch mit dem Resultat (beide lachen), daher wollen wir dem Verlag auch ein neues Projekt vorschlagen.
animePRO: Also willst du auch nach deinem Abitur mit dem Mangazeichnen weitermachen, Marie? Die Nase habt ihr noch nicht voll?
Marie Sann: Ja, klar will ich. Ich will mich zwar nicht darauf festlegen, dass ich ausschließlich Mangazeichnerin bleiben werde, aber vorerst will ich schon damit mein Geld verdienen.
Guido Neukamm: Die Nase haben wir wirklich noch nicht voll, nein! (beide lachen)
Marie Sann: Es macht immer noch Spaß und wir sind ja noch nicht lange Mangazeichner. Davon kann man einfach nicht genug kriegen (lacht). Kreative Arbeit ist uns sehr wichtig.
Guido Neukamm: Wir sind ja auch Glückspilze, weil wir unseren Traumberuf ausüben können. Wer kann das von sich behaupten...
animePRO: Wie beschreibt ihr eure Arbeit mit der Tokyopop-Redaktion?
Marie Sann: Sehr familiär, die Verlagsmitarbeiter stehen uns sehr nahe. Die deutsche Verlagsszene ist ja relativ übersichtlich, man kennt jeden und es macht Spaß, auf den Messen zusammen rumzuhängen und sich zu unterhalten. An „Sketchbook Berlin" haben wir aber vor allem mit Jo Kaps sehr eng zusammengearbeitet.
animePRO: Guido, wenn du deine Arbeit als Manga-ka mit der als „Mad"-Zeichner vergleichst – worin unterscheidet sich diese Arbeit von deiner Arbeit als Manga-Zeichner?
Guido Neukamm: Naja, die Arbeit bei Tokyopop unterscheidet sich schon von der bei „Mad". Bei Gespenstergeschichten war es zum Beispiel so, dass wir damals ganz genaue Vorgaben hatten, was zu tun ist und vor allem, was wir zu lassen hatten (lacht). Wenn wir uns an diese Regeln gehalten haben, war alles okay. Bei „Mad" gibt es immer ein bestimmtes Thema pro Heft und wir müssen innerhalb dieses Themas einen Beitrag zeichnen können. Der wird dann von der Redaktion abgesegnet und dann auch so gemacht.
Bei Tokyopop hingegen hat uns Jo Kaps auch während der einzelnen Kapitel durchgehend begleitet und uns seine Meinung gesagt. Wenn etwas nicht gepasst hat, wurde das geändert oder verbessert.
animePRO: Du kennst die Comicszene ja bereits relativ lange, Guido. Wie hat sie sich deiner Meinung nach entwickelt?
Guido Neukamm: Ich denke, dass die Szene sehr den einzelnen Modeschwankungen unterworfen ist. Man kann aber immer erst nach ein paar Jahren sagen, was Mode war und was sich qualitativ und inhaltlich gehalten hat. Die 90er Jahre waren komplett von den amerikanischen Comics bestimmt, während diese jetzt komplett in den Hintergrund gerückt sind. Niemand hätte damals in den 90ern gedacht, dass es mal so kommen wird. Daher bin ich auch ein bisschen in Sorge, dass das mit dem japanischen Manga genauso werden könnte, aber das ist abzuwarten. Was ich aber gut finde, ist, dass sich heute sehr viele Mädchen und Frauen für Comics interessieren und dass dadurch ein neues Publikum in die Szene reinkommt - das hat vieles verändert.
animePRO: Du meinst damit also, dass die amerikanischen Comics mit ihren Superhelden die männlichen Leser viel mehr angesprochen hat, oder?
Guido Neukamm: Ich denke schon, ja. Und auch die frankobelgischen Comics davor haben ca. 90% Männer und vielleicht 10% Frauen gelesen. Es war doch ein ganz anderes Verhältnis und ein ganz anderes Publikum.
animePRO: Wollt ihr am Schluss unseres Interviews Nachwuchszeichnern vielleicht noch den einen oder anderen Rat mit auf den Weg geben?
Marie Sann: Gerne. Ihr müsst auf jeden Fall hartnäckig bleiben – das hat mir zumindest sehr geholfen. Außerdem sollte man mit seinen Bildern an die Öffentlichkeit gehen und nicht nur in seinem Stübchen hocken und hoffen, dass irgendwann mal ein Wunder passiert.
Guido Neukamm: ich persönlich finde es wichtig, eine eigene Linie zu finden; also einen eigenen Stil zu entwickeln. Die ganze Mangaszene – nicht nur in Deutschland – neigt sehr dazu, sich an ihren Vorbildern zu orientieren und sich dabei ein bisschen einzuschränken. Das halte ich persönlich für einen Fehler. Durch Vorbilder kann man zwar was lernen und jeder hat schließlich mit dem Zeichnen angefangen, indem er Bilder kopiert hat – aber es sollte nicht dabei bleiben. Wenn man weiterkommen will, muss man irgendwann anfangen, einen eigenen Stil zu entwickeln.
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Fazit!
animePRO: Dann danke ich euch herzlich für das interessante Interview!
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