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animePRO: Yoshitoshi ABe, danke, dass Sie für das Interview Zeit gefunden haben. Könnten Sie unseren Lesern zu Beginn Ihre genaue Tätigkeit beschreiben?
Yoshitoshi Abe: Gerne. Ich bin Charakterdesigner für Anime und Computerspiele, außerdem zeichne ich Manga und arbeite als Illustrator. Manchmal schreibe ich auch ganze Geschichten für Anime.
animePRO: Das klingt nach einem spannenden Beruf. Wie kamen Sie dazu?
Yoshitoshi Abe: Vor ungefähr zehn Jahren hatte ich eine Webseite erstellt, auf der man meine Bilder ansehen konnte. Ein Produzent hat diese Website entdeckt und mir ein Angebot gemacht. Seitdem zeichne ich beruflich.
animePRO: Was ist für Sie persönlich so faszinierend an diesem Beruf?
Yoshitoshi Abe: Als Illustrator arbeitet man freiberuflich und ist somit an niemanden speziell gebunden. Das ist für mich das spannendste und faszinierendste.
animePRO: Was sind die Aufgaben eines Illustrators und Charakterdesigners?
Yoshitoshi Abe: Meine Aufgaben hängen von meinem jeweiligen Auftraggeber ab. Wenn ich fixe Vorgaben erhalte, dann bin ich eingeschränkt und muss mich an sie halten, habe also kaum kreativen Spielraum. Das betrifft Aber hauptsächlich das Charakterdesign. Wenn ich Illustrationen für Bücher oder ähnliches mache, habe ich mehr Freiraum. Ich darf nicht nur die Figur, sondern auch die Welt um sie herum zeichnen. An solche Aufträge muss ich ganz anders herangehen. Ähnlich ist es auch bei Videospielen, da muss man auch die ganze Welt des Spiels miteinbeziehen.
animePRO: An welchen Computerspielen haben Sie bereits gearbeitet?
Yoshitoshi Abe: Bei einer meiner ersten Aufgaben in diesem Bereich habe ich geholfen, die Welt für ein Spiel zu erschaffen und sie zu entwickeln. Das Spiel hieß „Wachenroder" und war für den Sega Saturn.
Außerdem habe ich an der Spielumsetzung von „Serial Experiments Lain" mitgewirkt. Bis jetzt habe ich Aber aus terminlichen Gründen nur wenig an Videospielen mitarbeiten können, was ich eigentlich sehr schade finde. Ich spiele nämlich selbst sehr gerne, vor allem Rollenspiele. Eigentlich wollte ich ja Spieleprogrammierer werden (lacht).
animePRO: Aber es kam anders. Warum?
Yoshitoshi Abe: Ich habe mir in der Grundschule einen Computer gekauft, dafür ging mein ganzes Taschengeld drauf. Leider war der Computer so schlecht, dass es nichts mit dem professionellen Programmieren wurde (lacht). Damals habe ich selbst noch nicht gezeichnet und habe dafür meine Freunde Bilder auf Frischhaltefolien zeichnen lassen. Die Folien hab ich dann auf den Monitor „geklebt" und mit einem selbstprogrammierten Grafikeditierprogramm abgepaust.
animePRO: Was ist ihr aktuelles Projekt? Woran arbeiten sie im Moment?
Yoshitoshi Abe: Ich arbeite an einem Anime namens „Neko Diver", ein Sci-Fi Anime, der erst kürzlich auf einer Convention in Tokio vorgestellt wurde.
animePRO: An welchem Anime haben Sie bis jetzt am Liebsten gearbeitet?
Yoshitoshi Abe: Ich glaube an Haibane Renmei. Ich habe die Geschichte selbst geschrieben und auch die gesamte Umwelt und die Charaktere des Anime entworfen. Da steckt mein Herzblut drin. Ich fühle mich mit diesem Anime sehr verbunden.
animePRO: Ihr bekanntestes Projekt ist Serial Experimental Lain, das inhaltlich relativ dunkel und verwirrend aufgebaut ist, ähnlich auch wie TEXHNOLYZE. Wie kam es zur Entstehung dieses Anime und was haben Sie dazu beigetragen?
Yoshitoshi Abe: Der Produzent von „Lain" setzte sich mit mir zusammen und erzählte mir die noch sehr wagen Ideen zu der Story. Ich habe dann versucht, diese Ideen und Vorstellungen aufzuzeichnen, ein richtiges Konzept gab es also noch nicht. Erst ein Drehbuchautor setzte dann die Einzelteile zu einem Gesamtpaket zusammen.
animePRO: Mögen Sie persönlich so dunkle Storys wie Lain oder TEXHNOLYZE?
Yoshitoshi Abe: Das sich die beiden Geschichte so ähnlich sind, liegt daran, dass der gleiche Szenarioschreiber an den Geschichte arbeitete. Das hat also wenig mit meinem persönlichen Geschmack zu tun.
Bild1: Screenshot aus LAIN
Bild2: Die von Yoshitoshi ABe gestalltete Welt in LAIN
animePRO: Heißt das, dass sie auch mal gerne an anderen, vielleicht lustigeren Storys arbeiten würden? Könnten Sie sich vorstellen, an einem Shojo Anime zu arbeiten?
Yoshitoshi ABe: Ich glaube nicht, dass ich das könnte, weil ich zu wenig Hintergrundwissen über dieses Genre habe. Ich persönliche lese keine Shojo Manga und könnte nicht einmal die großen Augen zeichnen. Das Charakterdesign für solche Anime überlasse ich lieber Frauen, die auch solche Manga zeichnen. Ich bleibe lieber bei meinem Zeichenstil.
animePRO: Zeichnen Sie auch Manga mit solchen dunklen und Sci-Fi-trächtigen Storys?
Yoshitoshi Abe: Bei Manga schränke ich mich weniger ein, was das Genre betrifft. Ich zeichne gerne komische Sachen, aber auch Sci-Fi oder Abenteuergeschichten.
animePRO: Wie kam Lain in Japan an? War der Anime von Anfang an ein Erfolg?
Yoshitoshi ABe: Lain war eher ein Underground-Anime. Die meisten Leute wussten eigentlich nur, dass gegen Mitternacht ein dunkler, gruseliger Anime lief. In Anime Kreisen war Lain allerdings bekannt. Wer es kennt, der kennt es eben, aber ein großer Hit war der Anime nicht.
animePRO: Wenn Lain nicht so erfolgreich war, warum gab es dann ein Videospiel davon? Ist es in etwa Japan so üblich, dass gleich Merchandising aufgefahren wird, wenn ein Anime startet?
Yoshitoshi Abe: Nun ja... man versuchte mit dem Videogame nur, das Geld wieder einzuspielen, dass bei der Produktion des Anime verbraucht wurde (lacht)
animePRO: Und wurde das Geld dann wieder eingespielt?
Yoshitoshi Abe: Tja. Leider hat der Produzent vergessen, einem der bekanntesten Computerzeitschriften ein Rezensionsexemplar zu geben – die haben dann das Spiel aus dem Programm genommen. Und so kam es, dass kaum wer von dem Spiel wusste.
animePRO: Das ist wirklich Pech. Mit welchen Anime Studios hAben Sie bis jetzt eigentlich gearbeitet?
Yoshitoshi Abe: Zuerst arbeitete ich mit Triangle Staff zusammen, die leider Pleite gegangen sind. Danach habe ich für „Haibane Renmei" mit RADIX zusammengearbeitet, für TEXHNOLYZE mit MADHOUSE. Jetzt arbeite ich gerade mit Satelight zusammen.
animePRO: Könnten Sie sich auch eine Produktion mit Studio GONZO vorstellen?
Yoshitoshi Abe: Von Studio GONZO hatte ich eigentlich einen Auftrag für ein Musikvideo gehabt, Aber der Termin war dermaßen knapp, dass es zeitlich nicht mehr möglich war. Zu derselben Zeit hatte ich nämlich noch eine andere Produktion laufen. GONZO wollte Aber das Material sehr bald, was zu anstrengen war.
animePRO: Mit welchem Animationsstudio würden sie gerne mal zusammen arbeiten?
Yoshitoshi Abe: Das ist sehr schwer zu sagen. MADHOUSE war bisher das größte Studio, das ich mir vorstellen konnte und ich war sehr froh, dass ich mit ihnen arbeiten durfte. Mir geht es Aber bei Projekten eigentlich nicht direkt um das Studio selbst, sondern mehr um die Leute, mit denen man zusammenarbeitet.
animePRO: Und gibt es da bestimmte Leute, mit denen sie mal zusammen ein Projekt starten wollen?
Yoshitoshi Abe: Ja, gibt es. Ich muss Aber dazu sagen, dass ich in der Regel von zu Hause aus arbeite und nur zu den wichtigsten Meetings in die Studios komme. Ich entwerfe ja nur die Charaktere, mit den weiteren Produktionsstufen habe ich wenig zu tun. Das trifft natürlich auch auf die Mitarbeiter zu – ich arbeite im Grunde nur mit einem Bruchteil von ihnen wirklich zusammen. Daher sind für mich vorwiegend nur die Leute wichtig, mit denen ich sehr intensiv an einem Projekt zusammenarbeiten muss.
Mit wem ich Aber gerne noch mal etwas machen möchte, ist Tanaka Yuichi, der mit mir bereits bei NieA_7 im Bereich Charakterdesign zusammengearbeitet hat. Leider kam bisher kein weiteres Projekt zustande.
animePRO: Über welches Thema würden Sie gerne einen Anime oder ein Projekt schreiben?
Yoshitoshi Abe: Über eine Fahrradtour, so etwas wie die Tour de France. Ich will schon seit mehreren Jahren ein Projekt über die Tour de France machen. Leider gibt es viel zu wenig Informationen darüber, daher wird das wohl noch etwas länger dauern. Außerdem hab ich ja noch andere Projekte, die vor mir liegen...
animePRO: Sie haben erzählt, dass sie bei Heibane Renmei beinahe alle wichtigen Entwürfe für den Anime im Alleingang übernehmen durften. Das ist eher ungewöhnlich, wie kam es dazu?
Yoshitoshi Abe: Weil der Produzent sagte: „Mach es!" (lacht). Heibane Renmai war ursprünglich ein Doujinshi von mir, das knapp 200 Seiten lang werden sollte. Doch sehr bald wurde ein Produzent auf mich aufmerksam und wollte einen Anime aus der Story machen. Blöderweise war ich erst auf der dreißigsten Seite des Doujinshi und die Story war weitaus noch nicht fertig ausgebaut. Daher hatte ich keine wirkliche Vorlage und wusste noch nicht mal, wie sich die Story entwickeln würde oder welche Charaktere ich noch einbauen wollte. Und so kam es, dass ich aus dem kleinen Doujinshiprojekt eine ganze Serie kreieren musste.
animePRO: Der Produzent hatte wohl sehr großes Vertrauen in Sie?
Yoshitoshi Abe: Nun ja, wir kennen uns schließlich schon seit einer Weile. Er hat bereits Lain produziert und wir sind keine Fremden mehr. Er kennt mich und weiß wie ich arbeite, daher überließ er mir alle Arbeiten, die stressig waren (lacht). Das war auch bei Lain so, da musste ich neben den Charakteren auch Computer und sogar Stühle entwerfen.
Aber ein komplettes Universum in so kurzer Zeit zu entwerfen, wie es bei Heibane Renmai der Fall war, war etwas ganz neues für mich. Der Produzent meinte einfach „Mach wie du glaubst" und gab mir zwei Wochen Zeit. Was er mir allerdings verschwiegen hat, war, dass ein anderer Autor bereitstand, nur für den Fall, dass ich es nicht schaffen würde. Und ich hab mich abgestresst, weil ich keine Ahnung davon hatte.
animePRO: Arbeiten Sie lieber nachts oder sind sie Frühaufsteher?
Yoshitoshi Abe: Eigentlich habe ich keinen bestimmten Tagesrhythmus. Manchmal arbeite ich bis spät in die Nacht, manchmal beginne ich sehr zeitig. Ich richte mich da oft nach meiner Freundin, die morgens immer zur Uni muss. Dann stehe ich mit ihr auf und beginne zu arbeiten. Manchmal arbeite ich Aber bis tief in die Nacht und stehe dann in der Früh auf – und lege mich am Mittag wieder hin. Ganz schön chaotisch.
animePRO: Gestern lief TEXHNOLYZE in der Anime Nacht. Was ist das für ein Gefühl, seinen eigenen Anime in einem fremden Land zu sehen?
Yoshitoshi Abe: Ich war sehr glücklich darüber, Aber auch etwas ängstlich. Ich befürchtete, dass das Publikum meine Geschichte nicht verstehen könnte.
animePRO: Heute Abend findet eine Pendeldiskussion statt. Sind Sie schon aufgeregt?
Yoshitoshi Abe: Im Ausland bin ich nie so aufgeregt, wie in Japan.
animePRO: Warum?
Yoshitoshi Abe: Ich habe sehr viel Zeit zum überlegen zwischen den Sätzen, da ich einen Übersetzer habe, der meine Antworten erst übersetzen muss. Außerdem ist das japanische Publikum sehr still. Die ganze Situation und Atmosphäre einer Diskussion ist dort viel angespannter als hier in Europa oder in den USA. In Japan ist es so, dass sehr, sehr selten Fragen gestellt werden. Das liegt wohl auch am kulturellen Unterschied, da es einen Japaner große Überwindung kostet, sich bei einer Diskussion zu melden.
animePRO: Wo sehen Sie sich selbst in 10 Jahren?
Yoshitoshi Abe: Gute Frage. Am liebsten wäre es mir, wenn sich nichts ändern würde. Ich mag meine arbeit, wie sie jetzt ist. Denn umso mehr ich mich auf den Animationsbereich reinsteigere und konzentriere, desto schwieriger werden meine Aufgaben. Und das würde für mich mehr Arbeit bedeuten – und somit weniger Zeit. Sollte es aber dennoch so kommen, würde ich mir ein vertrauenswürdiges Team zusammenstellen, mit dem ich fix zusammenarbeiten kann.
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Fazit!
animePRO: Vielen herzlichen Dank für das Interview.
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