Das Schlaflied der Müllautos

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Wer kennt das nicht? Ein riesiger orangefarbener Müllwagen versperrt die Straße, wenn man es eilig hat. Oder man kann ausschlafen, aber der Krach, den die Müllmänner machen, hält einen wach…

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In Japan sieht Belästigung durch die Müllabfuhr etwas anders aus. Denn die Müllautos, die ungefähr nur halb so groß sind, wie ihre westlichen Pendants, beschallen die Gegenden in Japan mit schlafliedähnlichen Klängen, die an eine Spieluhr erinnern.
Das dürfte angenehmer sein, würde man wohl sagen. Aber Fakt ist, dass die Japaner ein immenses Abfallproblem haben.

Wie die Mülllage in Deutschland ist, dürfte jedem weitgehend bekannt sein. Im Jahre 1991 hielt übrigens das Thema Recycling Einzug in Deutschland. Der Müll wird in entsprechend farbig gekennzeichnete Mülltonnen sortiert.
In Japan gibt es auch eine Art Mülltrennung, allerdings funktioniert diese in jeder Verwaltungseinheit ein wenig anders. Grundsätzlich unterscheidet man aber nach brennbarem und nicht brennbarem Müll. Brennbarer Abfall wird ungefähr 3 Mal in der Woche abgeholt und nicht brennbarer nur einmal pro Woche. Brennbarer Abfall sind zum Beispiel Essensreste, Papier und Karton, nicht brennbarer Müll ist Plastik, Glas, Leder oder Metall. Größerer Abfall wie Möbel, alte Fahrräder oder elektronische Geräte werden einmal im Monat eingesammelt.
Im Vergleich zu Deutschland wird in Japan der Müll also sehr oft abgeholt. Allerdings ist das auch wichtig, denn in Japan ist es durchschnittlich wärmer als hier und da der Müll nicht wie hier in Tonnen, sondern in einfachen Plastiktüten auf die Straße gestellt wird, würde es schnell ein immenses Geruchsproblem geben.

Von dem jeweiligen Wohnviertel hängt es übrigens ab, an welchem Tag welcher Müll abgeholt wird. In jedem Viertel gibt es Tafeln, auf denen man sich über den Abfallentsorgungsservice informieren kann.

Vor den Tafeln sind Netze oder manchmal auch extra angefertigte Holzkästen zu finden. Dahinter legen die Leute am Morgen, an dem der Müll abgeholt wird ihre Müllsäcke. Die Netze schützen die einfachen Plastikbeutel vor den Krähen, allerdings nicht besonders effektiv. Die schlauen Tiere schaffen es dennoch, sich einen leckeren Happen aus dem Müll zu fischen, wobei sie oft die Abfallsäcke zerlegen und den Abfall über die ganze Straße verteilen.
Die Müllmänner dürfen dann natürlich alles per Hand auflesen. Auch so hat diese Berufsgruppe ziemlich zu laufen. Da es keine Tonnen wie hier gibt, müssen sie jeden einzelnen Müllsack aufheben und in den Musik machenden und laut quatschenden Müllwagen werfen.

Japaner legen sehr viel Wert auf Verpackungsmaterialien. Geht man einkaufen, packen freundliche Verkäufer alles in Plastiktüten ein. In größeren Kaufläden gibt es sogar einen Verkäufer, der abrechnet und einen anderen, der die Sachen in die Tüten packt. Lebensmittel sind oft, auch wenn sie sich in einer Plastikschale befinden, noch einmal extra mit einer Folie überzogen. Einige Waren werden, bevor sie in den Plastikbeutel gelegt werden, noch einmal extra in eine Papier- oder Plastiktüte eingepackt und teilweise werden diese Tüten dann noch mit einem Stück Klebestreifen zugeklebt. Und einzelne Waren sind, wie zum Beispiel Süßigkeiten auch noch einmal extra eingewickelt.

Allerdings scheint die japanische Lebensmittelindustrie Singlehaushalte zu berücksichtigen. Wahrscheinlich kann man sonst nirgends auf der Welt ein in einen Minipappkarton verpacktes, einzelnes Ei erstehen.

Es ist schon erstaunlich, dass das Stadtbild in Japans Städten so sauber ist. Und das, obwohl man manchmal sehr lange suchen muss, ehe man so etwas wie Mülleimer oder Papierkörbe findet. Herumliegendes kaputtes Glas gibt es nicht und nur vereinzelt findet man Flaschen oder anderen Müll in Büschen oder auf den Gleisen. Auch die U-Bahnen und Bahnhöfe sind außerordentlich sauber. Es gibt keine Schmierereien und keinen achtlos weggeworfenen Müll. Auch Zigarettenkippen sieht man nicht herumliegen. Es gibt extra Raucherinseln mit Rauchermülleimern oder speziell angefertigte Dosen, in denen der Rauchende auf der Straße seine Asche und Zigarettenstummel hineinlegen kann.

Wenn man aber dennoch einmal dringend einen Mülleimer braucht und in Japan unterwegs ist, sollte man in Bahnhöfen, bei Conbinis (24-Stunden Supermärkte) oder Getränkeautomaten, die es an jeder Straßenecke gibt und meistens zumindest einen Mülleimer haben, in denen man leer getrunkene Plastikflaschen oder Dosen entsorgen kann.
Pfand, wie wir es aus Deutschland kennen, gibt es nicht. Plastikflaschen werden vom Rest des Mülls getrennt, genauso wie Dosen.

Doch was machen die Japaner mit dem Müll? Und warum ist genau dieser ganze Abfall so ein Problem?

Der Müll ist ein großer Risikofaktor für die Natur und die Menschen. 75% des Abfalls werden verbrannt. Das ist ein sehr hoher Anteil. Deutschland dagegen verbrennt nur 20% und dennoch scheint Japan an seinem eigenen Müll zu ersticken. Ein Ausweg ist, Teile des Mülls ins Meer zu schütten. Durch diese Aufschüttungen entstehen Neulandflächen, die zum Beispiel als Industrieflächen benutzt werden. Der komplette Inselkomplex um Daiba in der Tokyo-Bucht ist auf Müll aufgebaut. Angeblich soll auch ein Flughafen auf einer Müllinsel gebaut worden sein. Was man jedoch nicht bedacht hat, war, dass der Müll noch zusammenfällt und somit der Flugplatz jedes Jahr um einige Zentimeter absinkt.

Doch wenn wieder neue Industrieflächen gebaut werden, entstehen wieder neue Abfälle.
Plastik verrottet zum Beispiel nur äußerst schwer oder gar nicht. Die Umweltbelastungen, die durch das Müllproblem entstehen, gefährden Menschen, Tiere und Pflanzen gleichermaßen, verschmutzen die Luft, den Boden und die Gewässer.
Ein tragisches Beispiel hierfür war das Vergiften etlicher Menschen in den fünfziger und
sechziger Jahren an der japanischen Minamata-Bucht durch das Einleiten von Quecksilberverbindungen ins Wasser der Bucht. Diese Abwässer fielen bei der Schwermetallproduktion an.


Fakt ist, dass die Menschen schon seit jeher Müll produziert haben und dies wohl auch immer weiter tun werden. Aber besonders Japan muss etwas gegen die ganzen Müllberge tun, und sei es nur, die Verpackung der Lebensmittel etwas zu reduzieren. Wenn man Damenbinden braucht, müssen diese nicht auch noch extra in eine blickdichte Tüte gesteckt werden, bevor man diese noch extra in eine große Plastetüte gibt. Das ist zwar ganz großer Service, aber die Menschen schaden sich damit letztendlich nur selbst…


Wenn dieses Problem sich verbessert, lässt man sich auch sicherlich wieder gerne von der Melodie des Müllautos in den Schlaf wiegen…

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