Schule in Japan Teil II

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Wie ihr bereits erfahren habt, gibt es Nachhilfeschulen und strenge Unterrichtsmethodiken in Japans Schulen. Da fragt ihr euch sicher, ob es überhaupt Schüler gibt, die nicht so gut hinterher kommen…

Inhalt

Haben alle Schüler dieselben Chancen?
Durch die Klassengröße und die Tatsache, dass niemand sitzen bleibt, steigt von Jahr zu Jahr die Anzahl derer, die dem Unterricht nicht mehr folgen können.
Ironischer Weise wird das Erziehungssystem „6-3-3“ (6 Jahre Grundschule, 3 Jahre Mittelschule und 3 Jahre Oberschule) nach dem Kinderfest „7-5-3“ („shichi-go-san“) bezeichnet. Dieser Name soll andeuten, dass die Schüler 7 statt 6 Jahre in der Grundschule und 5 anstelle von 3 Jahren in der Mittelstufe bräuchten, da das Lerntempo sehr schnell ist und die Anforderungen an die Schüler hoch sind.
Für Schüler, die Probleme haben dem Unterricht zu folgen („ochikobore“), bleibt keine andere Wahl, als Nachhilfeeinrichtungen zu besuchen. Doch die sind meist nicht auf schwache oder mittelmäßige Schüler ausgerichtet, sondern vielmehr darauf, die besten Schüler noch besser zu machen.
Die Qualität des Unterrichts dieser Nachhilfeschulen variiert je nach der monatlichen Gebühr; Fakt ist jedoch, dass sich einige Familien dermaßen teure Lernunterstützungen nicht leisten können. Genauso ist es auch mit einigen Bildungseinrichtungen: Schüler, die aus finanziellen Gründen nicht auf Eliteschulen geschickt werden können, obwohl sie Spitzenleistungen in z.B. Probeaufnahmeprüfungen erzielen, sind gegenüber finanziell gestützten Schülern klar im Nachteil. Und das stärker, als es in Deutschland der Fall ist.
Das japanische Schulsystem mit der Einheitsschule bis zur 9. Klasse munkelt einheitliche Bildung und Chancengleichheit für alle vor, doch diese Chancengleichheit gibt es durch das stark differenzierte Oberschulgebot und das duale Existieren verschiedener Schultypen (staatlichen, privaten und öffentlichen Schulen) nicht.
In Deutschland scheinen die verschiedenen Schulzweige viel weniger Chancengleichheit zu verbürgen, allerdings ist der Schulbesuch in den meisten Fällen unentgeltlich und somit für alle sozialen Schichten frei zugänglich. Auch das Studium ist erschwinglich, was an Japans Topuniversitäten bei umgerechnet rund 5000 Euro oder mehr pro Semester nicht der Fall ist. Somit versucht Deutschland den Weg zur höheren Bildung auch sozial benachteiligten Schichten offen zu halten, oder gibt die Möglichkeit durch die Vergabe von Stipendien.
Zudem ist es in Deutschland möglich, zwischen den Schultypen zu wechseln, z.B. von der Hauptschule auf die Realschule und von dort aufs Gymnasium. Somit kann das Abitur auch von Schülern erreicht werden, die nicht von Anfang an auf dem Gymnasium waren. Es steht jedem Schüler selbst offen, welche Schule besucht und welcher Abschluss erlangt werden soll.
In Japan jedoch kommt man nur an Spitzenpositionen, wenn man Elitebildungsstätten besucht und erstklassige Noten bekommen hat. Es geht also nur darum, einmal in einem Spitzenberuf erfolgreich zu sein. Und die Arbeit ist in einem leistungsorientierten Land wie Japan sowieso sehr wichtig, schließlich sind viele Arbeiter mit ihrer Firma schon beinahe „verheiratet“.

Zum Abschluss der Schulreportage noch ein Grundsatz, den sich jeder zu Herzen nehmen sollte:

Bildung ist Macht
Japaner sind stolz auf ihre Schule, stolz auf ihre Schuluniform und scheinen das stetige Lernen auch irgendwie zu lieben. Das scheint sie dazu zu bewegen, nicht gleich nach dem Ende der Pflichtschulzeit arbeiten zu gehen oder eine Ausbildung zu beginnen.
Aus deutscher Perspektive betrachtet, ist der Anteil der Schüler in Japan, die eine Oberschule oder eine weiterführende Bildungsstätte besuchen, mit 95% ohnehin sehr hoch. Das liegt allerdings daran, dass der berufliche Status in Japan eng an das Niveau der Erstausbildung gekoppelt ist. Schon in der Meiji-Zeit (1868-1912) war Bildung ein Weg, um an Sicherheit, Macht und eine Spitzenposition zu kommen. Allerdings entsteht so auch die Gefahr einer bildungsorientierten Massengesellschaft, in der bereits in der Schulzeit Konkurrenzkämpfe vorherrschen. Und das, obwohl japanische Schüler schon von klein auf eine ausgezeichnete Charaktererziehung erfahren. Schließlich wird schon im Kindergarten („yōchien“) und in der Grundschule („shōgakkō“) auf ein harmonisches Miteinander geachtet. Die Kinder lernen im Team zu arbeiten und gehorsam zu sein. Sie erweisen den Lehrern und ihren Mitschülern Respekt und lernen diszipliniert zu arbeiten.
Und das ist auch wichtig, denn Japaner haben nicht wie deutsche Schüler nur eine große Abschlussprüfung wie das Abitur. Die ganze Bildungslaufbahn ist mit solchen Prüfungen gespickt: Aufnahmeprüfungen für die gewünschte Oberschule oder die Universität, die beste Mittelschule („chūgakkō“) und für sehr reiche Eltern teilweise schon für elitäre Grundschulen oder Kindergärten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass zu Prüfungszeiten die Selbstmordraten unter Schülern ansteigen, da viele dem Druck und den Erwartungen der Lehrer und Eltern nicht gewachsen sind.
Oft lernen Mittel- und Oberschüler, die kurz vor einer Aufnahmeprüfung stehen bis spät in die Nacht und stehen sehr früh am nächsten Morgen wieder auf. Wer vier Stunden schläft, heißt es, besteht die Prüfung; wer fünf Stunden schläft, fällt durch.
Doch sind die Strapazen erst einmal überstanden und der Eintritt in die Universität gesichert, erreichen die Japaner fast automatisch ihren Abschluss. In den 4 Jahren Universität oder zwei Jahren Kurzuniversität werden die Partys und Trinkgelage nachgeholt, die sie in der Schulzeit versäumt haben. Außerdem nehmen sich die meisten Studenten Zeit für Partnerschaften und Freundschaften und führen vielleicht nun das lustige und unbeschwerte Leben, wie man es aus den Anime-Serien kennt.

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