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Weniger als ein Prozent der Japaner bekennen sich heute zum Christentum. Nichtsdestotrotz hat sich Weihnachten, seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, auch im Land der aufgehenden Sonne vor allem unter jungen Leuten zu einem beliebten Fest entwickelt.
Tatsächlich jedoch wird weder die Geburt Jesu gefeiert, noch ein richtiges Familienfest begangen. „Kurisumasu“ (jap. クリスマス), wie Weihnachten in der Landessprache heißt (vom engl. „Christmas“), ist in Japan ein Tag für Verliebte.
GESCHICHTE
Bereits in der Edo Zeit (im 16 Jh.) brachten holländische Kaufleute das Weihnachtsfest nach Japan. Zu dieser Zeit war die Verbreitung des christlichen Glaubens in Japan noch geduldet, es durften Messen abgehalten werden und Gläubigen war es gestattet, die Geburt Christi mit allen religiösen Riten zu feiern. Nur wenig später wurden jedoch alle Ausländer im Rahmen der Ausschließungspolitik (sekoku) aus Japan verbannt und die Ausübung des christlichen Glaubens wurde unter Shōgun Tokugawa Ieyasu im Jahre 1612 unter Todesstrafe gestellt. Das Verbot hielt bis 1873. Doch durch die geringe Zahl der bekennenden Christen in Japan, spielte Weihnachten als Feiertag für den Großteil der Gesellschaft zu dieser Zeit keine Rolle.
Erst in den 60er Jahren erlangte es durch Werbung, amerikanische Filme und Fernsehserien, auch in der breiten japanischen Bevölkerung einen hohen Bekanntheitsgrad.
Da die Zahl der gläubigen Christen jedoch auch im modernen Japan verschwindend gering war und es mit den Neujahrsfeierlichkeiten bereits ein zeitnah gelegenes wichtiges Familienfest gab, passte das religiös geprägte Fest eigentlich nicht zum japanischen Leben und Denken.
Trotzdem gefiel den Japanern zumindest das „äußere Gerüst“ des westlichen Feiertags, mit seinen vielen Lichtern, den Liedern und dem Kitsch.
Durch den fast ausschießlich medialen – und damit natürlich oft stark verzerrten - Zugang wurde das Bild der Japaner von Weihnachten jedoch vor allem durch eins geprägt: das im Fernsehen viel beschworene, romantische Weihnachtswunder.
Dies führte dazu, dass sich im Laufe der Zeit in Japan ein Fest enwickelte, das zwar alle äußeren, nicht religiösen, Merkmale des amerikanischen Vorbildes übernommen hat, inhaltlich jedoch eher einem winterlichen Valentinstag gleichkommt.
WEIHNACHTEN FEIERN
Das japanische „Kurisumasu“ ist heutzutage vor allem ein Fest für Verliebte. Zwar ist es nicht unüblich, dass kleine Kinder am 24. Dezember etwas von ihren Eltern geschenkt bekommen oder man besonders engen Freunden etwas gibt, jedoch sind Geschenke an z.B. Verwandte nicht üblich. Es sind normalerweise auch nur kleine Geschenke, die die Japaner sich machen und möglichst niedlich sollten sie sein.
Dies gilt auch für Weihnachtskarten, die vor allem in jüngster Zeit immer beliebter geworden sind. Neben einfachen Papierkarten werden seit einigen Jahren vermehrt auch Karten angeboten, die wahren Hightech-Wundern gleichkommen. Leuchtende Sterne am Postkartenfirmament, dreidimensionale Papp-Tannenbäume voller blinkender Lichterketten und romantisches, musikuntermaltes Schneegestöber im Briefumschlag haben aber natürlich auch ihren Preis. Zwischen 10 und 30 Euro muss man für die extravaganten Grüße schon ausgeben. Doch obgleich sie damit häufig um einiges teurer sind als das übliche kleine Weihnachtsgeschenk, erfreuen sich solche Karten stetig steigender Beliebtheit.
Das Wichtigste an Weihnachten in Japan ist jedoch ein „Kurisumasu Deeto“ (von engl. „Christmas Date“) zu haben und die Frage, ob man am 24. schon etwas vor hat, kommt einem indirekten Liebesgeständnis gleich.
Dabei folgt der Ablauf einer solchen Verabredung meist einem etablierten Schema.
Man trifft sich zu einem gemeinsamen Spaziergang, um die schöne Beleuchtung und die stimmungsvollen Lieder zu genießen, die überall aus den Lautsprechern tönen (besonders beliebt ist übrigens „Stille Nacht“). Beides soll jedoch, anders als bei uns, dazu dienen, die romantische Stimmung dieser besonderen Nacht zu verstärken. Anschließend geht man gemeinsam in einem möglichst teuren Restaurant essen. Vielerorts werden sogar spezielle Christmas-Date-Menüs angeboten. Bei diesem Dinner ist es nicht unüblich, etwas wertvollere Geschenke wie z.B. Schmuck auszutauschen.
Firmen, Vereine und ähnliche Organisationen veranstalten in der Weihnachtszeit oft spezielle Partys. Dass es sich bei diesen „Weihnachtsfeiern“ jedoch fast ausnahmslos um reine Trinkgelage handelt, liegt daran, dass der Dezember traditionell auch die Zeit der Jahresendfeiern, der sogenannten „Bonenkai“ (Partys zum Vergessen des alten Jahres) ist.
Obgleich sich das japanische Weihnachtsfest optisch sehr stark an dem amerikanischen orientiert, finden die gesamten „Feierlichkeiten“ am 24. Dezember statt; was wohl vor allem daran liegt, dass die ersten, die Weihnachten nach Japan brachten, Europäer waren, bei welchen die Bescherung im Unterschied zu den Amerikanern bekanntermaßen schon Heilig Abend stattfindet.
Weder Heilig Abend noch andere Weihnachtsfeierlichkeiten sind jedoch offizielle Feiertage in Japan. Lediglich am 23. ist ein arbeitsfreier Tag, da dies der Geburtstag des amtierenden Kaisers Akihito ist.
ESSEN
Nachdem japanischen Angestellten der Fastfoodkette KFC (Kentucky Fried Chicken) aufgefallen war, dass regelmäßig zu Weihnachten eine ungewöhnliche hohe Zahl Ausländer in ihre Restaurants kamen, um als Truthahn- oder Gansersatz wenigstens Geflügel in Form von frittierten Hähnchenkeulen als Weihnachtsessen zu genießen, bot das Unternehmen 1974 das erste Mal ein Weihnachtsmenü an. Bald darauf startete der Konzern zudem eine überaus erfolgreiche Werbekampage, mit dem es ihm gelang, die Japaner glauben zu machen, Hühnchen sei das klassisch amerikanisch/europäische Weihnachtsessen.
Da Geflügel in Japan jedoch eher selten auf der Speisekarte zu finden ist, dementsprechend auch kaum gezüchtet wird und zudem viele Japaner keinen großen Ofen haben, bot KFC mit seinen frittierten Hühnchenkeulen eine einfache Alternative. Massive Werbeaktionen mit dem Konzernmaskottchen Colonel Sanders als "Santa" (das „Clause“ sparen sich die Japaner in der Regel) taten das Übrige, um ein KFC-Weihnachtsmenü als typisch japanisches Weihnachtsessen zu etablieren.
Und so sieht man heute jährlich am 24. lange Schlangen vor den Filialen, die am Abend oft restlos ausverkauft sind, sodass man Gefahr läuft, an Heilig Abend leer auszugehen, wenn man nicht die Möglichkeit wahr nimmt, sein „Kurisumasu Chikken“ schon bis zu einen Monat im Voraus zu bestellen.
Was für einen Japaner an Weihnachten ebenfalls unverzichtbar ist, ist ein sogenannter „Kurisumasu Keeki“ (vom engl. „Christmas Cake“), eine, meist etwas künstlich aussehende, reich verzierte, weiße Sahnetorte mit Erdbeeren. Was ursprünglich wohl als Geburtstagstorte für das Christkind gedacht war, wird in der Regel nicht selbst gebacken, sondern auf dem Heimweg von der Arbeit gekauft und zählt für Japaner zu den Inbegriffen von Weihnachten.
Bei einer Umfrage der Internetseite japan-guide.com unter jungen Japanern, gaben immerhin 73% an, Weihnachten mit einer solchen Torte zu feiern, während demgegenüber nur 54% sagten „Kurisumasu“ wäre für sie ein besonderer Tag.
Von dieser Torte rührt nebenbei erwähnt auch die inzwischen etwas aus der Mode gekommene japanische Bezeichnung „Weihnachtskuchen“ für unverheiratete Frauen über 24 Jahren. Denn ab dem 25. Dezember werden die Torten stark reduziert verkauft und ab dem 26. quasi verramscht. Früher war es üblich, in Japan sehr früh zu heiraten. Wer mit 24 noch keinen Partner hatte, galt schon als nur noch schwer vermittelbar, weshalb Ansprüche an einen Hochzeitskandidaten ab diesem Zeitpunkt mit zunehmendem Alter oft immer weiter gesenkten wurden. Da man sich heute aber auch in Japan eher später das „Ja“-Wort gibt, wurde der sprichwörtliche Weihnachtskuchen inzwischen von den Toshikoshi-Soba („Jahresübergangsnudeln") für Frauen über 31 abgelöst. Was sich auf den Brauch stützt, am 31. Dezember Soba -Nudeln als letzte Mahlzeit des Jahres zu essen.
Nahezu unbekannt ist Japanern dagegen das Backen von Plätzchen, Lebkuchen oder ähnlichem Gebäck in der Vorweihnachtszeit. Was zum einen mit dem bereits erwähnten Mangel an adäquaten Öfen in japanischen Haushalten zusammen hängt, zum anderen aber auch damit, dass eine Art Countdown auf Heilig Abend, wie hierzulande, in Japan nicht üblich ist. Obgleich der kommerzielle Rummel um Weihnachten Anfang Dezember bereits im vollen Gange ist, gibt es weder Adventskalender noch werden Nikolaus oder Adventstage zelebriert.
All denjenigen, die sich in der Adventszeit einmal länger in Japan aufhalten und sich nach etwas Weihnachtsstimmung sehnen, denen sei ein Spaziergang durch einen der Lichterparks wie sie in dieser Jahreszeit vielerorts errichtet werden (z.B. im Tokyo Dome oder beim berühmten „Luminarie“ in Kobe) oder ein Besuch des Weihnachtsmartes in Osaka oder Sapporo empfohlen. Beide sind übrigens nach deutschem Vorbild errichtet.
Ansonsten wird man sich eher schwer tun, als Ausländer echte Weihnachtsstimmung in Japan zu finden. Man wird wohl eher dazu neigen, zu staunen und sich wohl auch ein bisschen amüsieren über dieses „Kurisumasu“. Spätestens wenn eine von einem Japaner auf Deutsch gesungene Version von „Oh Tannenbaum" im Kaufhaus erklingt.
Na dann, Meeri Kurisumasu!
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