Japan und der Rest der Welt - Eine Geschichte der Isolation

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Ein Blick auf das heutige Japan eröffnet dem Betrachter eine ganz eigene, faszinierende Welt. Auf der einen Seite stehen Tradition und Kultur, die Jahrhunderte überdauert haben und den Eindruck erwecken, als hätten sie sich kaum verändert und wären von der Modernisierung unberührt geblieben.
Auf der anderen Seite gibt es hochmoderne Technologie, Fortschritt, und einzigartige Ideen, die Japan zu einer Hochburg der Technik machen.

Inhalt

Das heutige Japan ist ein Wechselfeld aus Tradition und Zukunft, aus eigener Kultur und fremdem, westlichen Einfluss. Das war nicht immer so. Genau genommen pflegte Japan einst eine beispiellose, perfektionierte Isolationspolitik, die es für eine ganze Epoche vom Rest der Welt abschottete und keinen noch so vorsichtigen Einfluss von außen zuließ.

Japan war einmal eine autonome, ganz eigene Welt. Mehrere Faktoren führten zu der sogenannten Isolationspolitik der Tokugawa bzw. Edo-Zeit.

Die ersten, geschichtlich erfassten Kontakte mit Europa ereigneten sich 1543, als die Portugiesen in Kyushu eintrafen. Später folgten ihnen die Spanier und brachten der japanischen Kultur Feuerwaffen und das Christentum (denn es war eine Bedingung, dass Feudalherren nur dann Schusswaffen erhalten sollten, wenn sie auf ihrem Territorium Missionierungsarbeiten zustimmten).
Gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts wuchs die Sorge vor einem Machtverlust durch zunehmende Missionierung und wachsende Einflüsse der Europäer. Auf Befehl Hideyoshi Toyotomis hin, wurden 1587 zunächst die Jesuiten und anschließend sämtliche Missionare ausgewiesen.
Nach dem Tod Hideyoshis 1603 und der Machtübernahme durch Ieyasu Tokugawa, nahm die Toleranz gegenüber Christen zunächst wieder zu, da Japan auf den Handel mit den Portugiesen angewiesen war. Als jedoch auch England und die Niederlande zunehmend Kontakt mit Japan suchten, wurden die Konflikte zwischen dem römisch-katholischen Christentum und dem Protestantismus in Japan bekannt. Die Furcht vor christlichen Glaubenskriegen, sowie die Erkenntnis, dass japanische Christen der Kirche mehr Loyalität zeigten als dem Tenno oder dem Shogun, führte 1612 zu einem schrittweisen Verbot des Christentums.
Die Christenverfolgung wütete so in ganz Japan. Besonders blutig wurde sie auf Kyushu, da dort ein Großteil der Bevölkerung christlichen Glaubens war. 1637 wurde ein Aufstand gegen das Shogunat niedergeschlagen und 40.000 Christen getötet. Wer außerdem im Verdacht stand, christlichen Glaubens zu sein, musste öffentlich abschwören und christliche Symbole schänden (diese Symbole nannte man fumie 踏み絵, zu Deutsch „Tret-Bilder“). Weigerte man sich, wurde man hingerichtet – in vielen Fällen durch Kreuzigung oder Verbrennung.

1641 schottete Japan sich gänzlich vom Rest der Welt ab. Ausländern wurde die Einreise nach Japan untersagt und Japaner durften das Land nicht mehr verlassen. Sämtliche in Japan lebende Ausländer wurden ausgewiesen, lediglich einige wenige holländische und chinesische Kaufleute durften bleiben.
Sie standen unter strikter Überwachung und hatten sich an die Weisungen des Shogunats zu halten. Es durften keine Versuche der Missionierung unternommen werden und sie hatten sich ausschließlich auf Dejima aufzuhalten.
Dejima war eine künstliche, extra für die wenigen Ausländer in der Bucht von Nagasaki aufgeschüttete Insel. Sie war der einzige verbliebene Ort für den direkten Handelsaustausch zwischen Japan und Europa und diente als Sitz der holländischen Ostindien-Kompanie. Einmal im Jahr war der Leiter der Kompanie dazu verpflichtet, eine Reise nach Edo anzutreten, um dem Herrscher dort die Dankbarkeit der Kompanie für die Erhaltung des Handels zwischen Holland und Japan auszudrücken. Auf dieser Reise durfte ihn ein Arzt der Handelskompanie begleiten, was einige aufschlussreiche Aufzeichnungen dieser Zeit ermöglichte (unter anderem durch Engelbert Kaempfer – 1691: „Reise von Nagasaki zum kaiserlichen Hof von Jedo“ - und Franz von Siebold – 1826: „Reise nach dem Hof des Shoguns zu Jedo“).

Über zwei Jahrhunderte lang fand der Handel mit dem Rest der Welt ausschließlich über Dejima statt, bis Japan 1840 in eine Schuldenkriese geriet. Das Shogunat und die Daimyo waren hoch verschuldet und die immer größer werdende Kluft zwischen arm und reich führte zu zahllosen Unruhen im Land.
Die bis dahin herrschenden Machtverhältnisse begannen zu wanken, als den Herrschern Japans die Bedrohung durch ausländische Kräfte bewusst wurde. Auslöser dafür waren die „Schwarzen Schiffe“ unter dem Kommando von Kommodore Matthew Perry. Sie landeten 1854 wiederholt vor der japanischen Küste und legten in der Bucht von Edo an. Perry zwang den Shogun den sogenannten „Vertrag über Frieden und Freundschaft“ zu unterzeichnen, der formelle diplomatische Beziehungen zwischen Japan und den Vereinigten Staaten begründete. In den darauf folgenden Jahren schloss Japan ähnliche Verträge mit England, Russland und Preußen und öffnete einige Häfen für den Handel mit dem Westen. Es folgten darüber hinaus auch Missionen japanischer Flotten, um mehr über den Rest der Welt zu erfahren.

Das Ende des 19. Jahrhunderts stellte somit auch das Ende der japanischen Isolationspolitik dar. Japan würde jedoch stets eine gesonderte Stellung zum Westen beibehalten. Der Kaiser würde erst 1945, nach der Kapitulation im zweiten Weltkrieg, auf Druck der Vereinigten Staaten seine Macht ablegen und Japan somit den Weg für einen demokratischen Staat ebnen.

So war Japan außenpolitisch zunächst zurückhaltend, doch mit der Zeit wuchs die internationale Bedeutung der japanischen Industrie – zunächst gewann die Automobil- und Schiffsbranche, später die der Elektronik zunehmend an Bedeutung. Heute ist Japan eine einflussreiche Nation, die wichtig für die Weltwirtschaft und die Börse ist.


Wirft man jedoch einen Blick auf Japan und schließlich in Japan hinein, trifft man dort noch immer auf ein gegensätzliches Bild. Die Verwestlichung der letzten Jahrzehnte steht dort unmittelbar neben der Jahrhunderte alten Kultur und Tradition, die sich kaum verändert hat. Moderne gegen Vergangenheit. Weltoffenheit gegen einstige Abschottung. Die Isolationspolitik der Tokugawa-Zeit mag vergangen sein, doch sie ist noch heute ein wesentlicher Teil von Japans Einzigartigkeit.

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